Das Wissen über unseren Körper, unsere Weiblichkeit und unseren Zyklus ist für mich die Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Ganz besonders in Bezug auf Sexualität, Verhütung und Gesundheit. Mittlerweile habe ich schon öfters meine Kritik dazu geäußert und Frauen allen Alters zu mehr Eigeninitiative aufgefordert.

Für mich ist das Vermitteln dieses Wissens eine Herzensangelegenheit, denn genau aus diesem Grundgedanken heraus sind dieser Blog und auch mein Buch entstanden. Doch je länger der Blog und die Community bestehen, desto häufiger fällt mir auf, wie erschreckend wenig die Frauen heute über ihren Körper wissen.

Die Generation Pille

Als die Generation Pille bezeichne ich Frauen, die die Antibabypille aus diversen Gründen, die meist nichts mit Verhütung zu tun hatten, schon zu Beginn ihrer Pubertät genommen haben. Mit dem Einwerfen der ersten Pille wurde auch das Interesse an den Funktionsweisen des eigenen Körpers über Bord geworfen. Genau diese Frauen sind es auch, die sich jetzt im Alter zwischen Mitte 20 und Mitte 30 dazu entschließen, sich von der hormonellen Verhütung zu verabschieden.

Ist der letzte Blister Geschichte, kommt die schockierende Erkenntnis: „Fuck, ich habe keine Ahnung, was in meinem Körper passiert!“. Zervixschleim, Ausfluss, Muttermund, Mittelschmerz, Eisprung, Spotting, Schmierblutung, Zwischenblutung, Eisprungblutung, PMS, PCO, NFP… ich kenne nur MFG, mit freundlichen Grüßen.. WTF?!

Dr. Sommer 2.0

Wer tatsächlich gedacht hat, die Zeit der Dr. Sommer verdächtigen Fragen sei vorbei, hat sich definitiv geirrt. Schon zu meinen Bravo-Zeiten in den 90ern habe ich mich gefragt, was in der Schule im Sexualkundeunterricht gelehrt wird, wenn es tatsächlich zu Fragen kommt wie „Kann ich vom Küssen schwanger werden?“.

Genau das ist aber das Problem! Der Lehrplan im Bereich sexuelle Aufklärung lässt zu wünschen übrig. Früher wie heute. Als junges Mädchen musste man sich also anderweitig informieren, wenn man genau wissen wollte, was im weiblichen Körper so passiert. Aber wo? Tja, da haben wir das nächste Problem! Damals gab es noch nicht so viel Lesenswertes im Internet, zeitweise gab es noch nicht mal Internet. Also ging man damit zu seiner Mutter oder zum Gynäkologen. Natürlich wurde einem auch hier selten geholfen. Spätestens dann, wenn die Pille verschrieben wurde, war es mit dem Interesse am natürlichen, weiblichen Zyklus sowieso vorbei.

Der Zyklus ist eben so lang wie Pillen im Blister. Ende der Geschichte.

So kommt es, dass diese Generation heute das Zykluswissen der Bravo-Zielgruppe hat. Ja, wir wissen alle, dass wir von einem Zungenkuss nicht schwanger werden, aber da hört es dann meist auch schon auf.

Wann beginnt ein Zyklus?
Wie lang ist ein normaler Zyklus?
Woran erkenne ich einen Eisprung?
Wann bin ich eigentlich fruchtbar und wie lange?
Was ist das für ein Schleim in meinem Höschen?
Welche Hormone werden gebildet?

Konntest du diese Fragen alle beantworten? Das sind tatsächlich noch die harmloseren Fragen, die ich täglich gestellt bekomme, und auch nur die, die den Zyklus betreffen. Bevor mich jetzt jemand falsch versteht: Ich möchte mich in keinster Weise darüber lustig machen oder eine dieser Fragen ins Lächerliche ziehen! Mir ging es vor acht Jahren absolut nicht anders, als ich selbst die Pille abgesetzt habe. Denn auch ich gehöre zur Generation Pille.

Was haben wir da eigentlich geschluckt?

Mindestens genauso schlimm wie die Tatsache, dass uns das Wissen um unseren eigenen Körper, Zyklus und die Fruchtbarkeit fehlt, ist, dass uns allen nicht klar war, was wir da über Jahre geschluckt haben. Gerade, wenn man sehr jung mit der Einnahme der Pille beginnt, gehört sie schon nach kürzester Zeit zum Alltag. Man hinterfragt nicht, man schluckt einfach.

Ein Großteil der Frauen, die sie schon mit 13/14 wegen Akne oder Unterleibsschmerzen verschrieben bekamen, wussten gar nicht, dass sie ein Verhütungsmittel zu sich nehmen. Selbst Mädchen, die sie tatsächlich zur Verhütung bekamen, wussten lange nicht, wie sie wirkt und was sie enthält. Und natürlich gab es auch nur selten eine Aufklärung zu Risiken und Nebenwirkungen.

„Wie? Während der Einnahme hat man keinen natürlichen Zyklus? Keine echte Periode? Künstliche Hormone? Die Pille hat auch Einfluss auf Darm, Leber und Schilddrüse? Es können Vitalstoffmängel entstehen? Noch nie gehört!“

Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich Mails und Nachrichten bekomme, in denen Sätze stehen wie „Hätte ich gewusst, wie die Pille wirkt und welche Nebenwirkungen sie verursachen kann, hätte ich sie niemals genommen!“.

Hätte, hätte, Fahrradkette!

Wir, die Generation Pille, können an der Vergangenheit nichts mehr ändern. Ärgert euch nicht, beschwert euch nicht und verschwendet keine Energie mit Schuldzuweisungen. Wichtig ist nur die Gegenwart. Lernt euren Körper zu verstehen, bildet euch weiter und vor allem: Gebt das neu angeeignete Wissen weiter! Genau das bringt mich zum nächsten Punkt: Das Wissen für die nächste Generation.

Die nächste Generation sollte es besser wissen!

Mir geht es absolut nicht darum, die nächste Generation vor der Antibabypille zu „warnen“ oder sie davor zu bewahren. Aber es ist mir sehr wichtig, dass junge Mädchen in Zukunft richtig aufgeklärt werden. Sie sollten auch in jungem Alter schon all das Wissen über ihren Körper, ihre Fruchtbarkeit und natürlich auch über Verhütung haben. Damit meine ich nicht diese abgespeckten Infos, die sie im Sexualkundeunterricht bekommen, sondern wirklich alle Informationen, so dass sie eigenständig über ihren Körper entscheiden können.

Sexualpädagogischer Unterricht lässt zu wünschen übrig!

Erinnert ihr euch noch an den Sexualkundeunterricht in der Schule? Was ist bei euch davon hängen geblieben? Sehr wahrscheinlich nicht viel. Geht mir auch so. Tatsächlich glaube ich, das war mit Abstand der unangenehmste, peinlichste und uninformativste Unterricht während meiner gesamten Schulzeit. Weder den Schülern noch den Lehrern war wohl bei der Sache. Der gesamte Unterricht ist sehr oberflächlich, nicht geschlechterspezifisch, und eigentlich sind alle froh, wenn es wieder vorbei ist. Schaut man sich die Lehrpläne einmal genauer an, sind sie doch alle recht wenig informativ, wenn es um die Verhütung geht. Was  diesen Punkt betrifft, dreht es sich hauptsächlich um Schwangerschaft, Geschlechtskrankheiten und darum, wie wichtig es ist, beides zu vermeiden. Kondome schützen vor Geschlechtskrankheiten und die Pille vor einer Schwangerschaft.

Am Rande wird noch kurz erwähnt:

  • 3-Monats-Spritze, NuvaRing, Hormonspirale und Implanton, um auch alles Hormonelle abzudecken
  • Spiralen, die natürlich für junge Mädchen nicht geeignet sind
  • Diaphragma, welches eher etwas Altbackenes ist

In manchen Arbeitsblättern fand ich auch die „Kalendermethode“, die als einzige Form der natürlichen Verhütung und als nicht wirklich sicher deklariert wurde. Von der symptothermalen Methode keine Spur. Auch die verschiedenen Varianten, Größen und Anwendungsbereiche der Kupferspiralen finden keine Erwähnung. Schon in der Schule wird jungen Mädchen also beigebracht, man könne nur mit Hilfe synthetischer Hormone sicher eine Schwangerschaft vermeiden. Über die tatsächliche Wirkweise, Risiken und Nebenwirkungen wird hingegen nicht genug eingegangen.

Laut Pillen-Report der TKK war das jüngste Mädchen mit einem Rezept für die Pille im Jahr 2015 erst 11 Jahre alt!

Es scheint sich also an diesem Phänomen noch nichts geändert zu haben. Auch für die aktuelle Generation der pubertierenden Mädchen ist die Pille eine vermeintlich perfekte Lösung für alle Probleme im Teenie-Alter.

Die Frage ist also: Was können wir, die es heute besser wissen, für mehr Aufklärung tun?

Verantwortungsvolle Verhütung: Ihr braucht eine Alternative nach der Pille!

My Fertility Matters – Endlich richtige Aufklärung in Schulen!

Wer mich kennt, der weiß, ich meckere oder kritisiere nicht, ohne mir auch Gedanken über eine Lösung zu machen. Handeln statt meckern! Das gilt für mich in jedem Lebensbereich. Wenn mich etwas stört, versuche ich es zu ändern, zu verbessern oder Lösungsansätze zu finden, statt mich mit sinnlosem Gemeckere aufzuhalten. So auch bei diesem Thema! Nachdem ich mich also kurz über Lehrpläne und fehlendes Wissen aufgeregt hatte, schmiedete ich Pläne, wie ich hier in Zukunft etwas verändern bzw. meinen Teil zu dieser Veränderung beitragen könnte. Kurze Recherchezeit später fand ich, was ich suchte!

MFM Deutschland e.V. ist ein gemeinnütziger Verein „für wertorientierte sexualpädagogische Präventionsangebote“. Unser Ziel ist es, Menschen in allen Lebensphasen dabei zu unterstützen, einen positiven Bezug zu ihrem Körper zu finden. Gemäß dem Motto: MFM – My fertility matters – Meine Fruchtbarkeit zählt.“

My Fertility Matters: Richtige Aufklärung ist wichtig! 1

Das MFM-Programm ist ein – wie ich finde – wahnsinnig wichtiges Projekt zur richtigen sexualpädagogischen Erziehung. Wie in der Einleitung dieses Beitrages schon erwähnt, ist das Wissen über unseren Körper, unsere Weiblichkeit und unseren Zyklus die Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Ganz besonders in Bezug auf Sexualität, Verhütung und Gesundheit.

Wie Mädchen und Jungen ihren Körper erleben und bewerten, hat großen Einfluss auf ihr Selbstbild und ihr Selbstwertgefühl. Sich als Frau oder Mann zu bejahen und die körperlichen Veränderungen in der Pubertät in positiver Weise zu erleben, ist eine wichtige Entwicklungsaufgabe. Zu verstehen, was im Körper vorgeht, wie er sich im Laufe des Lebens verändert und wie neues Leben entsteht, ist nicht nur im Hinblick auf die Verhütung wichtig, sondern auch für die Selbstwahrnehmung, Selbstliebe und Achtsamkeit. Und zwar gerade dann, wenn sich im Körper am meisten verändert. Während der Pubertät!

Das Programm „My Fertility Matters“ bietet genau das!

Dieses sexualpädagogische Programm können sich bundesweit alle Schulen im Rahmen verschiedener Workshops zu Nutze machen. Die Initiative zu diesem Programm ging 1999 von der Ärztin Dr. Elisabeth Raith-Paula aus. Zunächst als Mädchenprojekt gestartet, wurde es 2003 um das für Jungen konzipierte Zwillingsprojekt erweitert. Durch die liebevolle, anschauliche und ganzheitliche Darstellung der körperlichen Veränderungen und der beginnenden Fruchtbarkeit wird über die reine Wissensvermittlung hinaus vor allem die emotionale Ebene angesprochen.

„Nur was ich schätze, kann ich schützen“

Mittlerweile gibt es vier verschiedene Workshops, die teilweise bundesweit für Schulen und Vereine angeboten werden. Für Kinder der vierten Klasse gibt es ergänzend zum Sexualerziehungsunterricht die „KörperWunderWerkstatt“. Ein Mitmach-Theater, bei dem Mädchen und Jungen kindgerecht und geschlechtsgetrennt in einem interaktiven Mitmach-Theater erfahren, was sich in der Pubertät verändert. Weiter geht es mit getrennten Workshops für die 5. und 6. Klassen.

Zyklusshow

Die „Zyklusshow“ ist eine einzigartige, anschauliche und liebevolle Darstellung des weiblichen Zyklusgeschehens. Dabei erleben 10- bis 12-jährige Mädchen (5./6.Klasse) in einem sechsstündigen standardisierten Workshop mit Hilfe der Bühne des Lebens die Vorgänge in ihrem eigenen Körper.

Agenten auf dem Weg

Im Workshop „Agenten auf dem Weg“ erleben 10- bis 12-jährige Jungen (5./6.Klasse) in einem sechsstündigen standardisierten Workshop, was in ihrem Körper geschieht, wenn sie sich vom Jungen zum Mann entwickeln. Dabei schlüpfen die Jungen als Spezialagenten in die Rolle der Spermien.

Gerade die Zyklusshow ist für mich persönlich eine wahnsinnig tolle Sache. Ich freue mich wirklich unheimlich, dass Frau Dr. Elisabeth Raith-Paula diese Show ins Leben gerufen hat. Bei der Zyklusshow werden biologische Fachbegriffe mit positiv besetzten Bildern, Vergleichen, Symbolen und Geschichten verbunden, so dass die Mädels Zyklusgeschehen, Fachbegriffe und Zusammenhänge begreifen, lernen und ohne Scham darüber sprechen können.

Östrogen-Freundinnen & Progesteron-Team

Im ersten Teil der Zyklusshow erleben die Mädchen, wie aus einer Spermie und einer Eizelle ein neues Leben entsteht. Dabei werden die weiblichen Geschlechtsorgane zur „Bühne des Lebens“, das Hormon FSH zu „Frühlingsboten“, Östrogene zu „Freundinnen“ und Progesteron zu einem „Progesteron-Team“.

Im zweiten Teil geht es nur noch um den weiblichen Körper. Hierbei schlüpfen die Mädchen selbst in die Rolle der Hormone und erleben, wie die Östrogene – ihre besten Freundinnen – sie in der Pubertät in eine Frau verwandeln. Während des Workshops entschlüsseln die Mädchen die verschiedenen Geheimcodes ihres Körpers, wie beispielsweise den Zervixschleim. Sie werden auf ihre erste Blutung richtig vorbereitet, so dass diese ihren Schrecken verliert und zu etwas Tollem wird. Die Zyklusshow klärt auf, schenkt ihnen Selbstvertrauen und weckt ihren Stolz darauf, eine Frau zu werden.

Auch Erwachsene müssen lernen!

Zu den beiden Workshops für die 5. und 6. Klassen gibt es begleitend einen Workshop für Eltern und Lehrer! Das finde ich ganz besonders gut, denn wie wir ja alle festgestellt haben, wissen leider auch Erwachsene nicht immer alles über den eigenen Körper.

Für Jugendliche ab der 9. Klasse geht es auch um Verhütung

Mein persönliches Highlight ist der Workshop für Jugendliche ab der 9. Klasse, denn hier geht es neben dem Basiswissen über körperliche Vorgänge, Zyklus und Fruchtbarkeit auch um das Thema Verhütung. Anders als im gängigen Sexualkundeunterricht werden hier alle Verhütungsmittel besprochen, und das inklusive der genauen Wirkmechanismen, Vor- und Nachteile. Angelehnt an den Namen dieses Workshops „WaageMut“ werden die Jugendlichen dazu ermutigt, auf sich selbst zu vertrauen, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen und abzuwägen.

Typische Patentlösungen und allgemeine Floskeln gibt es hier nicht. Die Jugendlichen lernen alle körperlichen Zusammenhänge, verstehen die genauen Wirkmechanismen und Einflüsse auf ihren Körper, so dass sie eigenverantwortlich und selbstbestimmt über ihren Körper, ihre Fruchtbarkeit und ihre Verhütung entscheiden können. Halleluja!

„Das Wissen über Fruchtbarkeit sollte zum Grundwissen einer jeden Frau und eines jeden Mannes gehören. Es hilft nicht nur, ungeplante Schwangerschaften zu vermeiden, sondern trägt dazu bei, mit dem eigenen Körper bewusster und achtsamer umzugehen und sich später einen möglichen Kinderwunsch zum geeigneten Zeitpunkt zu erfüllen. Dieses Wissen fördert die Selbstbestimmung und eine echte Körperkompetenz–Prävention im besten Sinn.“