Unter einer Zystitis versteht man eine Entzündung der Harnblase. Das heißt im Großen und Ganzen geht es hierbei um Harnwegsinfektionen. Eine Infektion ist eine Erkrankung, die per Definition mit bakteriellen, viralen Erregern, aber auch Hefen (Pilze) assoziiert ist.       

Was hat eine Zystitis aber mit dem Mikrobiom zu tun? Das Mikrobiom spielt hier in der Tat eine entscheidende Rolle, denn ein ausgeglichenes Mikrobiom sorgt dafür, dass pathogene Keime sich nicht einnisten bzw. vermehren können. Gewisse Bakterien, die häufig bei einer Zystitis festgestellt und für die Blasenentzündung verantwortlich gemacht werden, sind ja in der Regel immer da. Bei einer Dysbiose, das bedeutet, einer falschen Zusammensetzung und damit einem Ungleichgewicht zwischen den Bakterien, vermehren sich die “schlechten” Keime (1,4). Die Reaktion des Immunsystems auf dieses Ungleichgewicht nehmen wir als die typischen Symptome einer Blasenentzündung wahr. Diese können von Unwohlsein, über Brennen in den ableitenden Harnwegen bis hin zu einer starken Entzündung gehen.

Das Interessante hierbei ist auch, dass die vaginale Flora ein eigenes Mikrobiom besitzt. Dies hat die Forschung in den letzten Jahren herausgefunden und genauer untersucht. In Laboren kann man dieses vaginale Mikrobiom bestimmen lassen und so die Zusammensetzungen und die Verhältnisse der vaginalen Flora auf krankmachende Keime oder bspw. Pilze untersuchen und dementsprechend Maßnahmen zur Behandlung oder Prophylaxe treffen.

Besonders die Zusammensetzung der Vaginalflora spielt eine entscheidende Rolle…

… denn hier sind überwiegend Laktobazillen (Milchsäurebakterien) vorhanden. Diese Bakterien produzieren Laktat (Milchsäure) und setzen den vaginalen pH-Wert herab auf 4 bis 4,4 (2, 3). In diesem sauren pH-Wert können “schlechte” oder pathogene Keimen nicht wachsen. Im Gegensatz zum Darmmikrobiom ist im Vaginalmikrobiom eher eine geringere Diversität (Artenvielfalt) gewünscht, nämlich von überwiegend Spezies der Laktobazillen. Eine niedrige Diversität mit bestimmten Keimen deutet auf eine gesunde und stabile Vaginalflora hin. Zumindest im größten Lebensabschnitt und unter “normalen” Bedingungen im Leben einer Frau.

Die Forschung zeigt nämlich, dass die Diversität und auch die Zusammensetzung der vaginalen Flora sich im Alter und in besonderen Umständen verändert (4,5). Die Diversität steigt mit dem Alter. Das heißt, postmenopausale Frauen haben eine deutlich höhere Artenvielfalt in ihrer Vaginalflora als jüngere Frauen (4,5,6). Im Gegensatz dazu sinkt die Diversität in der Schwangerschaft stark herab. Die Anzahl Laktobazillen sind in der Schwangerschaft erhöht und damit auch das Verhältnis zugunsten der säurebildenden Flora, der pH-Wert sinkt somit nochmal herab. Bei den Frauen ist während des Zeitraums mit dem höchsten Östrogenwerten der niedrigste vaginale pH-Wert nachweisbar (4,7).

Schlechte Bakterien abtöten

Bakterien des Mikrobioms, sowohl des intestinalen (Darm) als auch des vaginalen, können Stoffe produzieren, die andere “schlechte” Bakterien abtöten können. Laktobazillen haben bspw. die Fähigkeit, H2O2 (Wasserstoffperoxid) zu produzieren. H2O2 ist toxisch für pathogene Bakterien, die in der Regel H2O2 nicht abbauen können. H2O2 wurde früher auch als Wunddesinfektion genutzt. Fehlen diese H2O2 produzierenden Keime, können sich schlechte Keime ausbreiten, die Harnröhre hochwandern und so in die Blase gelangen (4,8).

Natürlich wird auch die Vaginalflora vom Darmmikrobiom beeinflusst. Es gibt therapeutische Ansätze, in denen man orale Probiotika mit bestimmten Stämmen verabreicht. Diese Probiotika enthalten vor allem Laktobazillen. L. rhamnosus, L. reuteri, L. crispatus u. a. spielen hier eine große Rolle, um die Vaginalflora zu stabilisieren und zu optimieren (9). In Studien hat sich gezeigt, dass sogar Transgender, denen eine künstliche Neo-Vagina operativ geschaffen wurde, von der Gabe der oralen Probiotika mit diesem Stämmen profitieren, da die Besiedlung des Vaginalraumes deutlich schneller ging (15).

Bei der chronischen Zystitis den Darm nicht vergessen

Wenn man Mikrobiom-Befunde von Patientinnen mit chronischen Blasenentzündungen sieht, findet man hier häufig auch Auffälligkeiten. In der Regel ist eine deutlich Veränderung in der Zusammensetzung des Mikrobioms im Verhaltnis zum Optimum festzustellen. Auch die Diversität ist meistens erniedrigt und Leitkeime, wie schleimhautbildende oder -fördernde Stämme, wie Faecalibacterium prausnitzii oder Akkermansia muciniphila sind erniedrigt. Bei der Therapie der chronischen Zystitis sollte man also den Darm oder gerade den Darm nicht vergessen. Die Darmflora sollte optimiert werden, das heißt die Diversität erhöht und pathogenen Keime verdrängt und durch die Ansiedlung von “guten” Bakterien gefördert werden. Die Vaginalflora sollte mit Laktobazillen durch Probiotika und Milieu stabilisierende Maßnahmen verbessert werden. Durch Präparate, die viele und/oder die richtigen Laktobazillenstämme enthalten, kann dies gut gelingen.

Falls sich “schlechte” Keime in einen Biofilm eingenistet haben, sind sie schwer zu behandeln und oft auch nur schwer zu erkennen. Vaginalabstriche beziehungsweise Urinproben können natürlich auf Bakterien oder deren Stoffwechselprodukte untersucht werden, sind aber nicht in jedem Fall positiv, obwohl Bakterien unten ihr Unwesen treiben. In vielen Fällen gelingt es aber dennoch und man wird fündig. Dann können sogenannte Aromatogramme angefertigt werden. Das sind Profile, die anzeigen, welche ätherischen Öle und Pflanzenauszüge die Bakterien bekämpfen können (10). Ähnlich kennt man das vom Antibiogramm, wo geguckt wird, welches Antibiotikum bei den krankmachenden Bakterien wirkt. Tatsächlich gibt es aus der Pflanzenwelt einige Stoffe, die in der Lage sind, diese schützenden Biofilme der Bakterien aufzulösen und somit für das Immunsystem oder evtl. Antibiotika zugänglich zu machen. So kann eine natürliche, antibiotische Therapie erfolgen. Oftmals die einzige Möglichkeit, die bleibt, wenn sich bereits Resistenzen gegen synthetischen Antibiotika gebildet haben.

 

Nach den Wechseljahren zu beachten

Bei den postmenopausalen Frauen muss man natürlich beachten, dass diese auch eine fehlende oder zumindest verringerte Hormonproduktion haben (11). Man weiß, dass die hormonelle Zusammensetzung der Frau auch Einfluss auf die Scheidenflora und die Dicke der schützenden Schleimschicht hat. Hier sollte auch auf die Darmbakterien geachtet werden, nämlich, ob ausreichend Equol bildende Bakterien im Darm vorhanden sind. Diese können z. B. den veränderten Hormonhaushalt bei den postmenopausalen Frauen optimieren (12).

Was kann man tun, um Blasenentzündungen zu verhindern?

Die Aminosäure L-Methionin ist ein Mittel der Wahl für die präventive Therapie. Dreimal am Tag eine Tablette mit 500 mg L-Methionin, angewendet über 26 Monate zeigte in der Studie keine erneute Infektion der Harnwege und Harnblase. L-Methionin kann als ein effektives Mittel gegen Zystitis ohne Nebenwirkungen eingesetzt werden (13). L-Methionin sorgt für eine Ansäuerung des Harns, so dass der pH-Wert beim Ausscheiden des Urin ebenfalls abgesenkt wird, und so die Lebensbedingungen für die “schlechten” Bakterien nicht mehr optimal sind.

D-Mannose: D-Mannose, ein Einfachzucker, kann begleitend zu einer Antibiotika Therapie, aber auch präventiv eingesetzt werden, um Rezidive zu vermeiden. Da häufig E-Coli Bakterien die Ursache einer Infektion sind, kann D-Mannose diese Bakterien neutralisieren und mit dem Urin ausscheiden. Eine sechsmonatige präventive Behandlung in einer Studie  zeigte eine signifikante Verbesserung in der D-Mannose Gruppe im Vergleich zu Kontrollgruppe. In der D-Mannose Gruppe hatten die Patienten eine 33 %igen Erfolgsrate, während es in der Kontrollgruppe nur 4,4% waren, die keine wiederholten Blasenentzündungen bekamen (14).

Weitere mögliche Maßnahmen

Es gibt natürlich noch einige andere Maßnahmen, die man ergreifen kann, um sich vor wiederkehrenden oder chronischen Blasenentzündungen zu schützen. Hierzu zählen z. B. die Füße warm halten, denn die Füße gelten als die dritte Niere. Ebenso wie ausreichend Flüssigkeit zu trinken, damit evtl. krankmachende Keime sich gar nicht erst breit machen können. Nachdem Geschlechtsverkehr möglichst zeitnah zur Toilette zu gehen und Wasser zu lassen, damit der Vaginalraum gespült wird, ist auch eine gute Maßnahme, unerwünschte Bakterien gar nicht erst in die Versuchung kommen zu lassen, die Schleimhaut im Beschlag zu nehmen bzw. in die Mikrotraumen und -risse der Schleimhaut einzudringen, die während des Verkehrs entstehen.

Wenn dann doch eine Blasenentzündung aus der eigentlich schönen Sache entsteht, ist häufig eine Kombination aus Stress und einer veränderten hormonellen Lage oder ein verschobenes Mikrobiom (auch des Darms) Ursache der unangenehmen Entzündung. Denn sowohl Stress als auch verschiedene hormonelle Einflüsse können die Dicke und auch die Zusammensetzung der Schleimhaut beeinflussen. Sollte bspw. nach Geschlechtsverkehr mit dem selben Partner immer wieder Blasenentzündungen auftauchen, macht es durchaus Sinn, das sich auch der Partner auf Pathogene, z. B. im Ejakulat, untersuchen lässt.

Langfristig bester Erfolg durch Sanierung

In der Praxis hat sich gezeigt, dass eine Sanierung der Darm- und Vaginalflora durch geeignete oral und vaginal verabreichte probiotische Stämme und eine symptombezogene Behandlung der Blasenentzündung, mit z. B. D-Mannose, L-Methionin und pflanzlichen Mitteln die langfristig besten Erfolge bringt.

Der Gastautor

Der Gastautor

Tobias Duven ist Heilpraktiker und Coach mit eigener Praxis und den Schwerpunkten Darm- und Stressmedizin. Zusammen mit Krishen Ray gestaltet er den YouTube-Kanal „The Gut-Guys“, in dem es rund um das Thema Darm geht.

Webseite: naturheilpraxis-duven.de
Instagram: @tobias_duven
Youtube: The Gut-Guys

Quellenangaben

Quellen:
1.Urinary Microbiome and Cytokine Levels in Women With Interstitial Cystitis
Melinda G Abernethy  1 , Amy Rosenfeld, James R White, Margaret G Mueller, Christina Lewicky-Gaupp, Kimberly Kenton
2. Greenbaum S, Greenbaum G, Moran-Gilad J, Weintraub AY. Ecological dynamics of the vaginal microbiome in relation to health and disease. Am J Obstet Gynecol. 2019 Apr;220(4):324-335. doi: 10.1016/j.ajog.2018.11.1089. Epub 2018 Nov 14. PMID: 30447213.
3. Tortelli BA, Lewis WG, Allsworth JE, Member-Meneh N, Foster LR, Reno HE, Peipert JF, Fay JC, Lewis AL. Associations between the vaginal microbiome and Candida colonization in women of reproductive age. Am J Obstet Gynecol. 2020 May;222(5):471.e1-471.e9. doi: 10.1016/j.ajog.2019.10.008. Epub 2019 Oct 22. PMID: 31654610; PMCID: PMC7236091.
4. Buchta V. Vaginal microbiome. Ceska Gynekol. 2018 Winter;83(5):371-379. English. PMID: 30848142.
5.Muhleisen AL, Herbst-Kralovetz MM. Menopause and the vaginal microbiome. Maturitas. 2016 Sep;91:42-50. doi: 10.1016/j.maturitas.2016.05.015. Epub 2016 Jun 1. PMID: 27451320.
6. Kim JM, Park YJ. Probiotics in the Prevention and Treatment of Postmenopausal Vaginal Infections: Review Article. J Menopausal Med. 2017 Dec;23(3):139-145. doi: 10.6118/jmm.2017.23.3.139. Epub 2017 Dec 29. PMID: 29354612; PMCID: PMC5770522.
7. Miller EA, Beasley DE, Dunn RR, Archie EA. Lactobacilli Dominance and Vaginal pH: Why Is the Human Vaginal Microbiome Unique? Front Microbiol. 2016 Dec 8;7:1936. doi: 10.3389/fmicb.2016.01936. PMID: 28008325; PMCID: PMC5143676.
8. Jang SJ, Lee K, Kwon B, You HJ, Ko G. Vaginal lactobacilli inhibit growth and hyphae formation of Candida albicans. Sci Rep. 2019 May 31;9(1):8121. doi: 10.1038/s41598-019-44579-4. PMID: 31148560; PMCID: PMC6544633.
9. Yang S, Reid G, Challis JRG, Gloor GB, Asztalos E, Money D, Seney S, Bocking AD. Effect of Oral Probiotic Lactobacillus rhamnosus GR-1 and Lactobacillusreuteri RC-14 on the Vaginal Microbiota, Cytokines and Chemokines in Pregnant Women. Nutrients. 2020 Jan 30;12(2):368. doi: 10.3390/nu12020368. PMID: 32019222; PMCID: PMC7071157.
10. Machado D, Gaspar C, Palmeira-de-Oliveira A, Cavaleiro C, Salgueiro L, Martinez-de-Oliveira J, Cerca N. Thymbra capitata essential oil as potential therapeutic agent against Gardnerella vaginalis biofilm-related infections. Future Microbiol. 2017 Apr;12:407-416. doi: 10.2217/fmb-2016-0184. Epub 2017 Mar 24. PMID: 28339292.
11. Lethaby A, Ayeleke RO, Roberts H. Local oestrogen for vaginal atrophy in postmenopausal women. Cochrane Database Syst Rev. 2016 Aug 31;2016(8):CD001500. doi: 10.1002/14651858.CD001500.pub3. PMID: 27577677; PMCID: PMC7076628.
12. Davinelli S, Scapagnini G, Marzatico F, Nobile V, Ferrara N, Corbi G. Influence of equol and resveratrol supplementation on health-related quality of life in menopausal women: A randomized, placebo-controlled study. Maturitas. 2017 Feb;96:77-83. doi: 10.1016/j.maturitas.2016.11.016. Epub 2016 Nov 27. PMID: 28041599.
13. Prevention of reinfection by L-methionine in patients with recurrent urinary tract infection] [Article in German] R Fünfstück et al. Med Klin (Munich). 1997.
14. D-mannose: a promising support for acute urinary tract infections in women. A pilot study L Domenici et al. Eur Rev Med Pharmacol Sci. 2016 Jul.
15. Kaufmann U, Domig KJ, Lippitsch CI, et al. Ability of an orally administered lactobacilli preparation to improve the quality of the neovaginal microflora in male to female transsexual women. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2014;172:102-5.