Dieser Artikel enthält Affiliate-Links.

Lifestyle-Medikament: Mit Pille zum Schönheitsideal? Klingt im ersten Moment vielleicht ein bisschen seltsam, ist aber leider tatsächlich der Grund für viele junge Mädchen, die Pille zu nehmen. In einem älteren Artikel hatte ich über die Angst vor dem Absetzen berichtet. Es ging hauptsächlich darum, dass sich viele Frauen wegen möglicher „Schönheitseinbußen“ nicht trauen, sie abzusetzen. Heute geht es um die Mädchen, für die die Antibabypille eine Art Beautyprodukt ist.

Schon vor 15 Jahren, als ich – noch in einer Zeit ohne Facebook und Instagram – im zarten Alter von 13 meine erste Pille verschrieben bekam, war es ganz normal, sofort nach Einsetzen der ersten Periode die Pille zu nehmen. Jetzt könnte man natürlich denken, wir wären damals alle sexuell unheimlich aktiv gewesen, aber dem war nicht so. Ich persönlich war noch eine der wenigen, die die Pille wegen zu starker Regelschmerzen bekommen hat, nicht wegen irgendwelcher Schönheitsprobleme. Doch damit war ich in meinem Bekanntenkreis alleine, denn meine Mitschülerinnen und Freundinnen nahmen die Pille, um alle Unannehmlichkeiten der Pubertät schnellstmöglich zu eliminieren.

Auf dem Schulhof war die Pille das Gesprächsthema Nr. 1. „Welche Pille nimmst du? Ich habe mich für die entschieden, die die Brüste wachsen lässt!“ oder „Ich hatte erst eine gegen Pickel, aber davon habe ich so zugenommen. Ich habe sofort gewechselt!“ hieß es unter den Mädels. Auch auf jeder Pyjamaparty wurden die Erfahrungen ausgetauscht, und fand man die Pille der Freundin besser, rannte man sofort zum Gynäkologen und wechselte auch das eigene Präparat. Selbst mich fragte der Gynäkologe, ob ich lieber eine Pille gegen Pickel oder eine für größere Brüste möchte. Dabei war ich ja eigentlich wegen meinen schlimmen Schmerzen dort.

Erster Gedanke: Was sagen die Eltern dazu?!

Tja, gar nichts sagen sie dazu! Zum einen war die Pille damals noch nicht so in Verruf geraten wie heute und zum anderen brauchten wir unsere Eltern meist gar nicht zu fragen. Denn auch wenn es vielen nicht bewusst ist: Ab dem 14. Lebensjahr braucht man keine Zustimmung der Erziehungsberechtigten, um sich die Antibabypille verschreiben zu lassen! Offensichtlich geht man davon aus, man ist in dem Alter reif genug, um das selbst zu entscheiden. Mir hat damals ein Erlaubnisschreiben meiner Mutter gereicht, um die Pille auch schon mit 13 ohne ihre Anwesenheit zu bekommen. Jeder, der schon mal eine Entschuldigung für die Schule gefälscht hat, weiß wie einfach das ist.

Hinzu kommen noch die Eltern, die ihren Töchtern tatsächlich bewusst erlauben, die Pille zu nehmen. Doch auch die tun das nicht, damit ihr Mädchen weniger Pickel hat, sondern weil sie befürchten, dass sie ohne Pille irgendwann schwanger werden könnte.

Aufklärung: Fehlanzeige!

Ich bin mir nicht sicher, wie es mit der schulischen Aufklärung heute aussieht, aber damals standen Informationen zum Thema hormonelle Verhütung definitiv nicht auf dem Lehrplan. In den paar Stunden Sexualkunde, in denen alle hauptsächlich damit beschäftigt waren, rot anzulaufen oder zu kichern, sobald jemand „Penis“ sagte, wurde die Pille genau in einem Satz erwähnt, nämlich als wir die Handhabe der Kondome erklärt bekamen. Da erst wurde kurz erläutert, dass es neben dem Kondom auch noch die Antibabypille und die Spirale gibt. Da beide aber nicht vor Geschlechtskrankheiten schützen, nicht weiter der Rede wert.

Größere Brüste oder lieber weniger Pickel?

 

Wenn schon keine Information durch die Lehrer, dann wenigstens durch Ärzte? Sollte man meinen. Wir wurden schon eines besseren belehrt, als die Verbraucherzentrale Hamburg letztes Jahr Gynäkologen bei der Verschreibung der Pille testeten. Für mich war dieser Bericht wirklich erschreckend. Größtenteils wurden keine Voruntersuchungen gemacht, es gab kaum Aufklärung zu Risiken und Nebenwirkungen. Manche fragten nicht mal nach der Familiengeschichte bezüglich Thromboseneigung. Natürlich möchte ich nicht alle Ärzte über einen Kamm scheren. Es gibt in jeder Berufssparte schwarze Schafe, so auch bei den Damen und Herren in weiß.

An dieser Stelle darf ich nochmal auf meinen ersten Termin beim Gynäkologen hinweisen: Das Gespräch dauerte fünf Minuten. Er wusste, dass ich sexuell nicht aktiv bin und es auch in naher Zukunft nicht vor hatte. Ich sagte ihm, ich wäre wegen den schlimmen Unterleibsschmerzen da und hatte nach wenigen Minuten das Rezept für die Pille in der Hand. Keine Voruntersuchung, keine Aufklärung, keine Warnung. Nur die Frage, ob ich lieber weniger Pickel oder größere Brüste haben möchte.

Wie um alles in der Welt sollen Mädchen in diesem jungen Alter denn verstehen, dass sie täglich ein hormonelles Medikament zu sich nehmen? Ein Medikament mit gefährlichen Risiken, einer ganzen Latte an Nebenwirkungen und eventuellen Folgen?

Falsche Wahrnehmung

Viele dieser jungen Mädchen nehmen die Pille weder als Medikament noch als Verhütungsmittel wahr, sondern als nette kleine Wundertablette, die man nehmen kann, wenn man mit seiner Haut nicht zufrieden ist oder die Brüste nicht schnell genug wachsen. Gerade als junges Mädchen kann man sich damit ganz hervorragend selbst optimieren. Alle Schönheitsmakel der Pubertät werden einfach weggezaubert. Zudem wird die Antibabypille heute auch zu gut getarnt. Man bekommt sie in kleinen schicken Beautybags mit Schminkspiegel oder wahlweise einem glitzernden Schlüsselanhänger. Es gibt schon einen guten Grund dafür, dass die Präparate alle niedliche sanfte Mädchennamen haben und für einen jungen Menschen nur schwer als Medikament zu erkennen sind.

Wenn das während meiner Pubertät schon zur Normalität gehörte, welche Dimensionen muss das heute annehmen?

Zu meiner Zeit war der Schönheitswahn in der Pubertät noch nicht so extrem wie heute. Man las die Bravo oder die Wendy, statt sich in der Instyle gephotoshoppte Models anzuschauen. Und noch viel wichtiger: Es gab keine Social-Media-Kanäle, kein Wetteifern auf Instagram oder Facebook, keine Selfies und keine Influenzer, denen man versucht nachzueifern. Es gab diese krankhaften Schönheitsideale nicht. Heute bekommen schon Teenager Depressionen, weil das Leben anderer auf Facebook lebenswerter aussieht als das eigene. Mädchen versuchen mit 13 schon lasziv auf Instagram zu posieren, weil sie gemerkt haben, dass ein Schmollmund mehr „Likes“ bekommt. In der heutigen Online-Social-Media-Scheinwelt, in der Jugendliche ihren Selbstwert an den Like-Zahlen messen, ist der Selbstoptimierungsdrang so schlimm wie noch nie!

Spätestens seit dem großartigen Film „Embrace“ von Nora Tschirner und Taryn Brumfitt sollten die grausamen Ausmaße dieser Selbstoptimierung und des Bodyshamings klar sein.

Auch junge Mädchen nehmen viel in Kauf, um einem scheinbar perfekten Schönheitsideal nachzujagen: Diäten, massig MakeUp und natürlich jedes Hilfsmittel inklusive der Pille, was die Selbstoptimierung erleichtert. Schaut euch den Film an, er ist wirklich toll!

Es muss sich etwas ändern!

Frauen wie Taryn Brumfitt und Nora Tschirner machen mit ihrem einzigartigen Film einen großen Schritt in die richtige Richtung! Der Film inspiriert und verändert die Denkweise über uns und unsere Körper. Taryns Botschaft lautet: Liebe deinen Körper wie er ist, er ist der einzige, den Du hast! Endlich wird auf der ganzen Welt über diese Thematik gesprochen! Ich hoffe inständig, dass es vielen Frauen und jungen Mädchen die Augen öffnet bzw. geöffnet hat.

Doch diese offene Kommunikation sollte nicht abbrechen! Gerade, wenn es ums Thema Selbstoptimierung mittels Pille geht, sollten wir, die es besser wissen, den Mund aufmachen. Kennst du junge Mädchen, die mit der Pille ihre Pickel wegzaubern wollen? Sprich mit ihnen! Vielleicht ist ihnen nicht klar, dass sie täglich künstliche Hormone zu sich nehmen. Woher sollen sie es denn auch wissen?