Zum Thema Achtsamkeit und Gesundheit möchte ich Dir Übungen vorschlagen, die Du täglich – wiederkehrend oder wechselnd – in Deine Routine einbauen kannst. Vielleicht nimmst Du Dir vor, täglich eine der Übungen zu machen, allein oder auch mit Deinem Partner oder sogar Deinen Kindern. 

In meinem letzten Artikel habe ich bereits über die Wirkung von Stress auf den Körper geschrieben. Am Ende des Artikels hatte ich eine kleine Übung vorgeschlagen, die sich vor allem für Momente eignet, in denen Du bemerkst, dass Du etwas neben Dir stehst – im wahrsten Sinn des Wortes. Heute stelle ich dir fünf Achtsamkeitsübung vor – ganz individuell abgestimmt auf Zeit und Wirkweise.

Übung 1: Atemübung am Morgen – den Lebensfluss wahrnehmen

Atmung kann uns beruhigen, uns aber genauso energetisieren. Diese Atemübung kannst Du am Morgen machen, noch während Du im Bett liegst oder auf der Bettkante sitzend. 

Für wen geeignet? Jede/r in Deiner Familie kann diese Übung durchführen, Du kannst sie für Dein Kind auch ganz einfach mit ein paar Worten anleiten. 

Wie lange dauert es? Investiere nur 3 – 5 Minuten. 

Wie funktioniert es? Ganz einfach in 3 Schritten.

1.) Lass die Augen gern geschlossen und lege Deine Hände auf Dein Herz. Spüre Deinen Herzschlag, nimm Deinen Atem wahr. Stelle ganz bewusst fest, dass ein neuer Tag beginnt. Spüre wie Dein ganzer Körper den Tag begrüßt. Beginne bei Deinem Herzschlag und wandere mit einer Aufmerksamkeit von der Mitte Deines Körpers in die Beine, die Oberschenkel, an den Knien vorbei in die Waden, bis in die Füße. Wandere wieder zurück zu Deinem Herzen und nimm auch Dein Gesäß, Deinen Bauch, Deinen unteren Rücken wahr. 

2.) Richte Deine Aufmerksamkeit nun entlang Deiner Schlüsselbeine und Schultern, in Deine Oberarme, Deine Ellenbogen, durch die Unterarme bis in Deine Hände. Spüre wie Deine Lebensenergie sich auch dorthin ausbreitet. Bring Deine Aufmerksamkeit wieder zurück zu Deinem Herzen. Spüre Deinen ganzen Körper im Hier und Jetzt. 

3.) Richte Deine Aufmerksamkeit auf Deinen Atem. Atme bewusst, langsam und tief in deinen Brustkorb ein bis Deine Lunge ganz angefüllt ist. Halte die Luft für einen Augenblick an, bevor Du – gern geräuschvoll – ausatmest. So dehnst Du auch Deine so genannten Zwischenrippenräume und schickst auch dort Energie hin. 

Atme ein, öffne Deine Augen und beginne den Tag. 

Übung 2: Stehen wie ein Baum – sich selbst Stabilität verleihen 

Diese Übung kannst Du zu jeder Zeit machen und auch an jedem Ort. Sie kann Dich stabilisieren, wenn Du Dich unruhig fühlst oder aufgebracht bist. Ebenso kann sie Dir helfen, den Tag fokussiert zu beginnen oder am Abend in Ruhe zu reflektieren. 

Für wen geeignet? Diese Übung eignet sich besonders für Kinder, denn sie können sich gut in einen Baum hineinversetzen, da dies ein Bild aus der Natur ist. Am besten kannst Du diese Übung barfuß ausführen, besonders schön ist sie in freier Natur auf einer Wiese.

Wie lange dauert es? 5-8 Minuten.

Wie funktioniert es? Ganz einfach in 3 Schritten.

1.) Stelle Deine Füße parallel und etwa hüftbreit auf den Boden, spüre in Deine Füße hinein. Nimm den Boden unter Deinen Füßen mit den Zehen, den Großzehballen und den Fersen wahr, spüre die Verbindung zwischen dem Boden und Deinen Füßen. Richte Dich von den Füßen her auf – aktiviere die Oberschenkel- und Gesäßmuskulatur. Achte darauf, Deine Knie nicht ganz durchzudrücken. 

2.) Spanne Deinen Bauch an, zieh alle Muskeln aus dem unteren Bauch und Deine Beckenboden-Muskulatur in Richtung Bauchnabel und zieh den Bauchnabel ein wenig nach innen, in Richtung Deiner Wirbelsäule. Richte Dein Brustbein auf und senke Deine Schultern etwas ab – Deine Handflächen zeigen nach vorn. Schiebe Deinen Scheitel in Richtung Himmel, senke Deine Schultern und Dein Kinn etwas nach unten. Wenn Du es möchtest, schließ Deine Augen. Spüre Deine ganze Präsenz, Dein Hier-Sein, und spanne Dich wirklich auf zwischen unten und oben, zwischen Erde und Himmel. Nimm wahr, wie Dein Becken auf Deinen Beinen ruht, wie Deine Schultern über Deinem Becken schweben – vielleicht verlagerst Du Dein Gewicht auch ganz sanft von vorn nach hinten und von einer Seite auf die andere, ohne Deine Stabilität zu verlieren. 

3.) Lass Deine Gedanken kommen und gehen – fokussiere Dich immer wieder auf Deinen stabilen Stand. Nimm Gedanken wahr, die sich zeigen, lass sie vorbeiziehen, ohne sie zu bewerten. Vielleicht magst Du Dir auch vorstellen, dass sie wie ein Eichhörnchen sind und zwar vorbei schauen, aber kein Teil Deines Selbst sind. Verweile in dieser Haltung, solange Du möchtest. 

Am Ende der Übung nimm einen tiefen Atemzug und schüttle Dich ausatmend aus. 

Übung 3: Waldbaden – schöpfe aus der Kraft der Natur für mehr Lebensfreude

Eine Praxis, die in Japan sogar auf Krankenschein zu haben ist, und die wir gut in unsere Gesundheitsvorsorge übernehmen könnten. Es gibt zahlreiche Studien, die uns belegen, wie positiv die Wirkung des Waldbadens auf den gesamten Organismus, physisch wie psychisch, sich entfaltet. 

Für wen geeignet? Für die gesamte Familie, vor allem in Zeiten von Konflikten und Druck – der achtsame Aufenthalt im Wald kann neuen Studien zufolge zu einer schnelleren Genesung bei Burnout-Syndrom, Depression, ADHS, Angst- und Panikstörungen beitragen. Es setzt eine unmittelbare Entschleunigung ein, die Du sofort spürst.

Wie lange dauert es? Eine Stunde bis einen Tag

Wie funktioniert es? Super einfach.

Wähle die richtige Kleidung für den Tag, die Jahreszeit und Dein eigenes Wohlbefinden und fahre oder gehe zu Fuß dorthin, wo Du Waldbaden kannst und möchtest. Betritt den Wald respektvoll und geh langsam, achtsam hinein. Beobachte, lausche achtsam den Ereignissen um Dich herum: Nimm wahr, wie der Wind durch die Bäume streicht, welche Geräusche Du hörst, welche Bewegungen der Natur Du sehen kannst. Setze Dich an einen Baum oder auf ein Stück Moos abseits des Wegs. Vielleicht erkennst Du in der Natur Muster, die Dich an Dein Leben erinnern – versuche wertfrei zu bleiben und Deinen Eindrücken mit einer gewissen Neugier zu begegnen. Vielleicht hast Du auch Lust, an Pflanzen zu riechen oder sie mit Deinen Händen zu berühren. Gib diesen Impulsen nach und bleib ganz in diesem Moment. 

Du kannst Deine Eindrücke intensiver gestalten, indem Du auch hier Deinen Atem ganz bewusst tiefer fließen lässt und Deinen Körper mit einer Extra-Portion Sauerstoff versorgst. Diese Übung stärkt zusätzlich Dein Immunsystem!

Übung 4: Die Rosinenübung – der Klassiker unter den Achtsamkeitsübungen

Indem wir uns einer alltäglichen Tätigkeit wie dem Essen auf meditative Art zuwenden, erweitern wir unsere Wahrnehmungsebenen auf ganz leichte Weise. Die Gedanken fokussieren sich dabei auf jeden einzelnen Sinneseindruck und können weniger abschweifen. Zur Durchführung dieser Übung benötigst Du Rosinen, es können aber auch Cranberrys oder Nüsse sein. 

Für wen geeignet? Diese Übung ist für Erwachsene und Kinder ab ungefähr 5 Jahren geeignet. Kleinere Kinder könnten sich leichter an einer Rosine oder Nuss verschlucken, deswegen sollten sie diese Übung nicht durchführen.

Wie lange dauert es? 3-6 Minuten, mit Vorbereitung 10 Minuten. 

Wie funktioniert es? In 3 Schritten.

1.) Suche Dir drei Rosinen aus und lege sie vor Dir auf den Tisch. Schau Dir die Rosinen genau an, betrachte ihre Eigenheiten, ihre Farben, ihre spezifische Form, entdecke Unterschiede. Atme dabei ruhig und gleichmäßig, lege besondere Aufmerksamkeit auf Deinen Ausatem. Welche Rosine ist diejenige, die Dich am meisten anspricht? Was unterscheidet sie von den anderen? 

2.) Nun nimm die von Dir gewählte Rosine in die Hand, lege sie auf Deine Handfläche und beobachte sie noch einmal von allen Seiten. Nimm auch wahr, wie sich die Rosine auf Deiner Hand anfühlt, roll sie etwas hin und her, bevor Du sie zwischen Deine Finger nimmst. Lass Dir bei all dem Zeit und beobachte Deine Sinneseindrücke. Kannst Du die einzelnen Furchen der Rosine sehen oder sogar mit Deinen Fingern spüren? Bewege die Rosine vor Deine Nase und rieche an ihr, dann nimm sie vor Dein Ohr. Höre auch die Geräusche der Rosine, während Du sie sanft drückst und zwischen Deinen Fingern hin und her rollst. 

3.) Nun bewege die Rosine zu Deinem Mund und erkunde ihre Beschaffenheit mit Deinen Lippen, bevor Du sie auf Deiner Zunge ablegst. Bewege sie in Deinem Mund hin und her, richte Deine Aufmerksamkeit auch auf Deine körperlichen Reaktionen. Dann beginne langsam die Rosine zu kauen und widerstehe dem ersten Impuls sie sofort zu essen. Genieße die verschiedenen Geschmackseindrücke. 

Hast Du die Rosine gegessen, spüre noch für einen Moment nach. Welcher Nachgeschmack bleibt zurück, wie hast Du diese Ess-Meditation erlebt?

Wichtig: Achtsames Essen dient auch dazu, das Gefühl der Sättigung besser wahrzunehmen und kann bei Ess-Störungen jeder Art eine große Unterstützung sein. 

Übung 5: Dankbarkeitsübung – Deine Lebenseinstellung achtsam verändern

Vor allem abends ist eine Dankbarkeitsübung eine wunderbare Möglichkeit für einen ruhigen Abschluss des Tages. Dankbarkeit hat eine positive Wirkung auf unser gesamtes Nervensystem, sie führt zu mehr Optimismus und Lebensfreude. Dankbarkeit schult Optimismus und Lebensfreude und hat einen positiven Effekt auf die psychische Widerstandsfähigkeit. Dabei kommst Du auch in besseren Kontakt zu Dir selbst und stärkst so langfristig Dein Selbstvertrauen.

Für wen geeignet? Für alle – selbst kleine Kinder können sich am Abend einmal Gedanken machen, für welchen Moment des Tages sie besonders dankbar sind, und wieso dieser Moment so wichtig war. 

Wie lange dauert es? 2-3 Minuten. 

Wie funktioniert es? Such Dir einen ruhigen Ort.

Vielleicht magst Du diese Übung auch kurz vorm Schlafen in Deinem Bett machen. Schließ Deine Augen und nimm Deinen Körper wahr, lass den Atem ein paar Atemzüge durch alle Regionen wandern, lege besondere Aufmerksamkeit auf den Ausatem. 

Lass den Tag Revue passieren, nimm wahr, welche Momente für Dich besonders angenehm waren und Dich mit Dankbarkeit erfüllen. Vielleicht spürst Du auch eine grundsätzliche Dankbarkeit für Deine Familie, die Ruhe des Abends oder die Kraft Deines Körpers. Nimm wahr, wo sich dieses Gefühl äußert, welche Intensität es hat oder welche Empfindung – vielleicht warm, weich, kuschlig, berührend etc. – damit einhergeht. 

Wenn Du das Gefühl ausreichend ausgekostet hast, nimm einen tiefen Atemzug und öffne die Augen wieder. 

Jede der genannten Übungen ist Bestandteil eines 8-wöchigen Achtsamkeitstrainings und kann unabhängig davon auch einzeln durchgeführt werden. Werden diese Übungen in den Alltag integriert, so können sie zu einem insgesamt achtsameren Leben beitragen und haben einen positiven Einfluss sowohl auf die Strukturen des Gehirns als auch auf psychische Muster. Dabei kommt es mehr auf die Regelmäßigkeit als auf die Dauer oder Anzahl an. Es kann vor allem in der ersten Zeit von Vorteil sein, nach der jeweiligen Übung ein paar Notizen zu den gewonnenen Sinneseindrücken zu machen. 

Viel Spaß bei der Durchführung.