Achtsamkeit ist in den letzten Jahren zum Modewort geworden. Kein Wunder, schließlich wird das Leben um uns herum immer schneller, voller und herausfordernder. Die wachsenden Ansprüche der Außenwelt prasseln auf uns ein, und häufig folgt auch der Anspruch an sich selbst diesem Muster. Doch wer Freizeit, Familie, Freunde, Arbeit und vielleicht noch soziales Engagement unter einen Hut bringen will, vergisst sich schnell selbst dabei. In der Folge manifestieren sich Beschwerden auf physischer oder psychischer Ebene, die zu ernsten Krankheiten werden können oder aber das Leben auf subtile Weise langfristig beeinträchtigen.

Hier erfährst du welche Reaktionen Stress in deinem Körper auslösen

Grundsätzlich ist Stress eine durchaus gesunde Reaktion des Körpers auf Reize von außen. In der Steinzeit etwa, produzierte der Körper in Gefahrensituationen nämlich Botenstoffe wie Cortisol, Noradrenalin oder Adrenalin, um dem jeweiligen Menschen den nötigen Impuls zur Flucht zu geben, ihn wach zu halten oder ihn für eine kurze Zeit möglichst stark zu machen. Das war sinnvoll, um sich zu verteidigen oder zu flüchten – archaische Grundmuster also, die das Überleben der Menschheit sicherten.

Der Stresssituation, Anspannung also, folgte eine (körperliche) Aktion, bei der die gebildeten Hormone wieder abgebaut wurden. So weit, so gesund. Das Leben zu dieser Zeit mag täglich die ein oder andere solcher Situationen bereitgehalten haben, doch gab es zum Ausgleich lange Phasen der Entspannung. In der heutigen Zeit jedoch gibt es derart bedrohliche Szenarien nur selten, dennoch hat unser Nervensystem die Reaktion als solche beibehalten. Stress entsteht durch den Druck von Terminen, Verpflichtungen, Organisationslücken, Freizeitaktivitäten, Familienplanung, berufliche Aufgaben und vieles mehr, alltägliche Situationen also. Die oben genannten Hormone werden allerdings noch immer freigesetzt, denn das Nervensystem kann das Maß der Bedrohlichkeit nicht unterscheiden. Es kennt nur „Reaktion“ oder „keine Reaktion“. Im Gegensatz zu unseren Ahnen fehlt es uns in der Regel an der körperlichen Verarbeitung der Botenstoffe, und so sammeln sich Cortisol, Noradrenalin und Adrenalin nicht nur in unseren Körperzellen, sie beeinflussen auch unsere gesamten Körperfunktionen.

 

Stress und seine Folgen in deinem Körper

Der Körper ist in Alarmbereitschaft! Amygdala und Hypothalamus reagieren unmittelbar auf den Reiz und schütten Stresshormone bzw. neuronale Botenstoffe aus. Die Atemfrequenz steigt, gleichzeitig schwemmt die Milz mehr rote Blutkörperchen aus, um den Sauerstoff besser in die Muskeln transportieren zu können. Die Muskelspannung steigt, auch Puls und Blutdruck steigen an, der Blutzuckerspiegel erhöht sich und die Blutgerinnung beschleunigt sich, um den Körper vor Blutverlust zu schützen. Darüber hinaus erhöht sich auch die Immunabwehr, was erst einmal positiv klingt. Parallel dazu nehmen Verdauung und Sexualfunktion ab, und Hunger- sowie Schlafbedürfnis sinken.

Für einen kurzen Zeitraum sind diese Reaktionen des Körpers leicht zu kompensieren, allerdings fehlt uns die Phase, in der sich das Nervensystem wieder in seinen Normalzustand zurückversetzen kann. Durch die vielseitigen Anforderungen des alltäglichen Lebens verbleiben wir zu häufig in der Phase des hormonellen Dauerfeuers. Es gibt keine Entspannung, der Körper ist auf Daueralarm.

 

Stress – und seine Folgen für deine Gesundheit

Cortisol ist sehr notwendig, um die täglichen Aufgaben in Angriff zu nehmen. So schüttet der Körper es in der zweiten Nachthälfte als „Wecker“ für den Biorhythmus aus.  Der dauerhafte Zustand von Stress jedoch verändert die Cortisolproduktion dahingehend, dass der natürliche Tagesrhythmus aufgehoben oder verschoben wird. In der Folge kann der gesamte hormonelle Haushalt der Betroffenen durcheinander geraten.

Hier ein paar Beispiele: Ein Cortisolüberschuss kann unter anderem zu Stoffwechselstörungen, Übergewicht, Diabetes, Immundefekten und Depressionen führen. Irgendwann entsteht dann ein Cortisolmangel unter Dauerbelastung. Chronischer Stress begünstigt chronische Krankheiten wie Reizdarm, Zyklusverlust, Magenprobleme, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Konzentrationsschwäche, Libidoverlust, Schlafstörungen, verzögerte Wundheilung u.a.

 

Lebe deine Achtsamkeit – von TUN und SEIN

Wir hetzen häufig genug von Termin zu Termin, denken schon beim Frühstück über die To-Do-Liste des Tages nach und schmieren parallel zum Telefonat mit der Chefin noch schnell Pausenbrote für die Kinder, bevor wir ins Auto steigen und auf dem Weg ins Büro noch schnell die Einkäufe fürs Abendessen erledigen. Wir sind im TUN-Modus.

Bereits in den 1970er Jahren hat Jon Kabat-Zinn, Professor für Molekularbiologie, die buddhistische Praxis der Achtsamkeit in einem wissenschaftlichen Rahmen betrachtet. Er entwickelte daraus das MBSR (Mind Based Stress Reduction)-Programm, ein 8-wöchiges Training, in dessen Rahmen die Teilnehmer:innen sich in Achtsamkeitsmeditation üben und so einen weniger stressbelasteten Alltag gestalten. Achtsamkeit lädt uns ein, häufiger in den SEIN-Modus zu kommen. In diesem Zustand, den wir bewusst einnehmen können, werden wir uns des Moments bewusst, in all seinen Facetten. Es geht darum, im Hier und Jetzt für ein paar Minuten zu beobachten, was gerade ist, idealerweise ohne bewertende innere Kommentare. Auf den ersten Blick mag das eine herausfordernde Aufgabe sein.

 

Beginne deine Achtsamkeitsübung mit 5 Minuten

Hier eine kleine Übung, die du zwei Mal täglich für etwa 3-5 Minuten ausführen kannst: Setze oder stelle dich aufrecht hin, gestatte deinen Schultern, sich abzusenken und erlaube deinen Augen, sich sanft zu schließen. Spüre deine Oberschenkel am Sitz bzw. deine Füße am Boden. Nimm wahr, wie sich dein Körper gerade anfühlt, von den Füßen, an den Beinen entlang, hinauf über deine Hüfte, Bauch und Rücken, spüre deine Schultern in die Arme übergehen, bis hinunter zu deinen Händen. Nimm wahr, wie dein Kopf auf deinen Schultern thront. Spüre die Gefühle und Empfindungen, die sich dir zeigen, bewerte sie nicht oder lass einen bewertenden Impuls, den du verspürst, an dir vorüberziehen wie eine Wolke am Himmel.

Lenke deine Aufmerksamkeit auf den Atem. Spüre ganz bewusst und ausgiebig den Einatem deine Körperräume weiten, begleite den Ausatem bis ganz zum Ende. Vielleicht spürst du einen Windhauch um dich herum, eventuell hörst du Geräusche in deiner Umgebung. Nimm diese kurz wahr und kehre mit deiner Aufmerksamkeit zu deiner Atmung zurück. Wenn du spürst, wie dein Geist Gedanken erzeugt, nimm auch diese wahr und lass sie ebenfalls ziehen. Kehre erneut mit deiner Aufmerksamkeit zu deiner Atmung zurück. Verweile bei dir selbst für 3 weitere Atemzüge, nimm auch den letzten Ausatem in Gänze wahr, bis du mit dem Impuls des Einatmens deine Augen wieder sanft öffnest und zurück in deinen Alltag kommst.

 

Was passiert im Körper durch die Achtsamkeits-Praxis? 4  Wirkungen:

Diese kleine Übung schafft eine Pause für dein Nervensystem. Nun wirst du vielleicht denken, dass diese Zeitspanne sehr kurz ist. Doch es passieren parallel unterschiedliche Dinge:

  1. Du schaffst einen Zeitraum, in dem dein Körper wirklich loslassen kann. Obwohl 3-5 Minuten nicht lang sind, reicht diese Dauer aus, die Stressbotenstoffe aus den Körperzellen abzubauen, den Atem zu beruhigen und die Herzfrequenz zu senken.
  2. Du trainierst die grundsätzliche Fähigkeit deines gesamten Nervensystems zur Entspannung.
  3. Du wirst mit jedem Tag der Übung spüren, dass du schneller in der Lage bist, diesen Zustand einzunehmen.
  4. Du wirst im Lauf der Zeit stärker bewusst über die Faktoren, die dich in Stress versetzen und kannst dahingehend Anpassungen in deinem Leben vornehmen.

Insgesamt verbesserst du so du Wohlbefinden und deine gesamte Lebensqualität, denn du kannst chronischen Krankheiten vorbeugen und deine Leistungsfähigkeit erhöhen. Darüber hinaus ist bereits nachgewiesen, dass bestehende chronische Erkrankungen – vor allem chronische Schmerzen und Herz-Kreislauf-Probleme – durch regelmäßige Achtsamkeitspraxis zum Teil deutlich gelindert werden können. Es gibt also eine Menge guter Gründe, gleich heute damit zu beginnen.