In der ayurvedischen Medizin besteht eine enge Beziehung zwischen Geist und Körper. Wie stark Körper und Geist sich beeinflussen, ist schon lange kein Geheimnis mehr und findet zunehmend auch in der Schulmedizin Beachtung. Dass allerding Ayurveda, eines der ältesten Heilwissen der Welt, schon vor mehreren Tausenden von Jahren die enge Wirkweise zwischen beidem und somit zwischen Gesundheit und Krankheit beschreibt, fasziniert und berührt mich zutiefst. In meinem heutigen Beitrag möchte ich dazu anregen, sich als Frau die richtigen Fragen zu stellen, aber auch ehrliche Antworten zu finden, um durch eine stärkere innere Klarheit und Verbundenheit eine kraftvolle Basis für die eigene Gesundheit zu schaffen. Metaphern und Prinzipien aus dem Ayurveda unterstützen kraftvoll dabei.

Warum entstehen welche Symptome und warum ausgerechnet bei mir?

Wenn die Antwort auf diese Frage so einfach wäre, dann wäre auch die Heilkunde einfach. Aber nein, wenn es um uns Menschen geht, so geht es um wahre Wunderwerke der Natur und äußerst komplexe Zusammenhänge. Die Ursache für körperliche Dysbalancen und Krankheiten sind mannigfaltig: Mal handelt es sich um einen ganz normalen Alterungsprozess des Körpers, mal um eine Verschleißerscheinung, mal liegt der Grund in einem Mangel im Mikro- und/oder Makronährstoffbereich, manchmal begünstigen genetische Veranlagungen die Manifestation einer Krankheit. Oft sind es äußere Stressoren, die im Laufe der Zeit Krankheiten hervorrufen. Und dennoch: Warum scheinen manche Menschen bei jedem Infekt  „Hier!“ zu rufen, während andere vor allem gefeit zu sein scheinen?

Alles eine Frage der Konstitution? Mit Wissen um seine Prakriti die Selbstwirksamkeit stärken

Laut Ayurveda wird jeder Mensch mit einer ganz eigenen Konstitution geboren, die als Prakriti bezeichnet wird. Man unterscheidet hier die „reinen Typen“ – Doshas: Vata, Pitta und Kapha – sowie auch Mischtypen aus zwei vorherrschenden oder gar allen drei. Jede Konstitution darf sich über körperliche Stärken freuen, sollte aber auch akzeptieren, dass alleine schon durch die naturgegebene Konstitution Anfälligkeiten mit auf den Lebensweg gegeben werden. Mit dem Wissen um seine eigene Konstitution kann frau möglichen Anfälligkeiten vorbeugend begegnen, indem sie in dem Bereich besonders gut für sich sorgt.

Ich möchte dir ein Beispiel anhand von Menstruationsbeschwerden geben:

Hier wird deutlich, dass Frauen mit einer ausgeprägten Vata-Konstitution eher unter anfallsartigen Bauch-, Rücken- und Kopfschmerzen leiden, innerer Unruhe sowie Schlaflosigkeit, verminderter Abwehr und Vitalität, Verstopfung, Blähungen, trockener Haut, Schwindel oder Frösteln. Pitta-Konstitutionen haben hingegen mehr mit Hitzethemen zu tun, wie erhöhter Temperatur, gerötetem Gesicht und Augen, verstärktem Durst, Hautausschlägen, Akne, Durchfall, überstarke Blutungen und Schwitzen. Kapha-Frauen erleben hingegen Gefühle der Schwere und Trägheit, einhergehend mit Ödemen, Appetitlosigkeit, schmerzenden & geschwollenen Brüsten, Müdigkeit oder auch Übelkeit.

Was die Wechseljahre angehen, zeigen sich Unterschiede

Im reiferen Alter erleben Vata-Konstitutionen meist früher erste Symptome der nahenden Wechseljahre. Die Hormone reagieren bei ihnen besonders sensibel auf äußere Einflüsse, was schon mal mit Ende 30 zu unterschiedlich langen Zyklen führen kann, ebenso zu ausbleibenden Eisprüngen. Kapha hingegen ist das konservierende, erhaltende Prinzip. So sehen Kapha-Konstitutionen im fortgeschrittenen Alter meist jünger aus als wie sie sind. Die Haut bleibt länger prall und rosig. Es zeigen sich wenig Anzeichen für Trockenheit. Spät gebärende Mütter sind meist Kapha-Frauen. Frauen mit einer Pitta dominierten Prakriti neigen mehr als andere Frauen zu Hitzethematiken, die sich z. B. in entzündlichen Hautunreinheiten sowie immer mal wiederkehrenden Hitzewallungen äußern können. Ihre Haare ergrauen in der Regel am frühesten. Gerät ihr Pitta in einen Überschuss, kann dies die Leber strapazieren. Sodbrennen oder Magenschmerzen sind typische Beschwerden dieser Konstitution.

Zusammenhang zwischen Körper, Geist, Seele UND Sinnen

Im Ayurveda sind Körper, Geist, Sinne und Seele keinesfalls getrennt voneinander zu betrachten. Diese Vierheit ist fest miteinander verbunden und bedingt sich gegenseitig. So definiert der Ayurveda neben körperlichen Stärken und Herausforderungen auch sogenannte somatopsychische Neigungen der jeweiligen Prakriti. Das heißt, dass die körperliche Konstitution auch Hinweise auf charakterliche und geistige Eigenschaften zulässt. Im Folgenden ein zusammenfassender Überblick:

Vata Prakriti

Stärken/Potenziale: Inspiration, Flexibilität, Schnelligkeit, Leichtigkeit, Veränderlichkeit, Kreativität, Empathie

Herausforderungen: Unruhe, Oberflächlichkeit, Unaufmerksamkeit, Unsicherheit, Instabilität, Vergesslichkeit

Pitta Prakriti

Stärken/Potenziale: Zielstrebigkeit, Konsequenz, Fokussierung, Entschlossenheit, Durchsetzungskraft

Herausforderungen: Egoismus, Härte, Unnachgiebigkeit, Ungerechtigkeit, Verletzungsgefahr

Kapha Prakriti

Stärken/Potenziale: Zusammenhalt, Ausdauer, Schutzqualitäten, soziale Kompetenz, Ruhe und Überblick

Herausforderungen: Trägheit, Schwere, Unveränderlichkeit, Langsamkeit, Konfliktunfähigkeit, mangelnde Dynamik

Mir ist wichtig, an der Stelle zu erwähnen, dass jeder Mensch alle Qualitäten in sich trägt; einzig die Gewichtung ist verschieden und genau das macht die Persönlichkeit aus und unser Miteinander so spannend. Es geht hier auch nicht darum, eigene „Schwächen“ über die ayurvedische Anamnese aufzudecken und sich dann einfach damit abzugeben, getreu dem Motto: „Ich hab’s doch gleich gewusst“. Nein, grundsätzlich ist der Ayurveda tief davon überzeugt, dass jeder Mensch – gleich welcher Konstitution – alle Ressourcen in sich trägt, um ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen. Die richtige Frage lautet daher: Welche vorhandenen Ressourcen möchte ich stärken und intensiver für mich nutzbar machen? Die richtige Aufforderung ist: Suche das Herausragende in dir und finde dafür einen wundervollen Ausdruck in deinem Leben!

Voraussetzung für Veränderung: Sattvabala – der starke Geist

Laut Ayurveda ist ein starker Geist die Voraussetzung für einen gesunden Körper. Es geht darum „Sattvabala“ zu entwickeln, was frei übersetzt „starker Geist“ heißt. In meiner ayurvedischen Frauenpraxis lege ich neben einer ausführlichen Anamnese besonderen Wert auf den Geist. Er beeinflusst Körper und Sinne, kann körperliche Erkrankung mit verursachen und begünstigen, aber auch heilen. Umgekehrt genauso.

Gerade im Bereich der Frauenheilkunde spielt die Therapie des Geistes eine tragende Rolle. Reagiert doch unser Hormonsystem immens sensibel auf Stress, Kummer und Sorgen. Hinzu kommt: Ist der Geist stark, fällt es Frauen oft auch leichter, erforderliche Therapiemaßnahmen im Alltag umzusetzen oder neue Gewohnheiten zu etablieren.

Die „trügerische“ Komfortzone

Ich erlebe häufig, dass viele Frauen gar nicht klar benennen können, was ihnen auf mentaler Ebene vielleicht fehlt oder nicht gut tut. Oftmals ist da ganz viel Nebel, wenig Klarheit. Oberflächlich scheint vieles okay. Dinge waren ja schon immer so wie sie sind. Anderen geht’s ja viel schlechter, da will man sich doch gar nicht beschweren. Eine latente Unzufriedenheit ist manchmal über Jahre zu einer Art Komfortzone geworden. Man kennt sich darin aus, sie „funktioniert“ ja schon so lange irgendwie. Tatsächlich wird der Geist innerhalb einer solchen Komfortzone immer schwächer.

Diese beschriebene Haltung ist weit verbreitet, hält den Alltag vieler Frauen am Laufen. Doch Fakt ist: Entwicklung findet außerhalb der Komfortzone statt! Frauen dürfen es sich wert sein, mal genauer hinzuschauen, mal wieder Kontakt zur eigenen Seele aufzunehmen, mal wieder die Sinne spüren, unverblümt ehrlich zu sich selbst zu sein. Und oftmals ist das der erste Schritt, dass sich auch körperliche Probleme beginnen zu lösen. Ein Geschenk.

Die Kraft einer ayurvedischen Metapher nutzbar machen

Für solche „Enthüllungs-Coachings“ nutze ich in meiner Praxis sehr gerne eine wunderbare Metapher aus der indischen Philosophie. Diese macht greifbar, was es eigentlich braucht, um einen starken und kraftvollen Geist zu entwickeln.

Die Metapher beschreibt das Bild einer Kutsche, die ihres Weges fährt. In diesem Bild steht die Kutsche sinnbildlich für den menschlichen Körper (Sharira). Die Pferde, die die Kutsche ziehen, repräsentieren unsere Sinnes- und Handlungsorgane. Der Fahrer der Kutsche ist unser Geist und sein Unterscheidungsvermögen (Dhi). Die Zügel stehen im übertragenen Sinne für unsere Entschlossenheit (Dhriti) und unser Erinnerungsvermögen (Smriti). Der Fahrgast ist zugleich der Besitzer der Kutsche und repräsentiert unsere Seele (Atma). Die Reise der Kutsche ist unser Lebensweg.

Die drei geistigen Fakultäten laut Ayurveda

Diese Metapher verdeutlicht sehr schön, dass die ayurvedische Psychosomatik den folgenden drei Fakultäten eine sehr große Bedeutung für die geistige Gesundheit zuschreibt:

Dhi

= Unterscheidungsvermögen; die Fähigkeit klar zu erkennen was mir guttut und auch längerfristig Freude bereitet. Hiervon klar zu unterscheiden sind jene Dinge, die mir (un-) mittelbar eher schaden und Kraft rauben. Hierzu gehören auch Dinge, die zwar für den Moment einen scheinbaren Mehrwert, z.B. in Form von Genuss und Entspannung bereiten, mir längerfristig betrachtet allerdings eher weniger guttun. Ein passendes Beispiel hierfür wäre z.B. die Schachtel Pralinen abends auf der Couch mit dem ein oder anderen Glas Rotwein.

Smriti

= Erinnerungsvermögen; diese Fakultät beschreibt die Fähigkeit zurückliegende Erfahrungen für sich nutzbar zu machen und daraus zu lernen. Erlebe ich immer wieder ähnliche Enttäuschungen (z.B. das mein Partner mich betrügt), so lohnt es sich wahrscheinliche Muster dahinter zu erkennen, um dadurch eine kraftvolle Ressource für künftige Partnerschaften aufzubauen.

Dhriti

= Entschlossenheit; Menschen, die entschlossen handeln, wirken nicht nur nach außen kraftvoller und dynamischer. Sie sind es meist auch innerlich. Es ist ein sehr stärkendes Gefühl, auf körperlicher wie auch mentaler Ebene, wenn wir um unsere Werte wissen, eine Art inneres Leitbild haben und dafür einstehen. Das Gegenteil von Entschlossenheit ist der Wankelmut, der es vermag uns jegliche Balance und Stabilität zu rauben.

Werden diese drei Fakultäten liebevoll kultiviert, dann erfreuen wir uns in aller Regel eines klaren, gesunden uns starken Geistes (Sattva). Mit einem guten Erinnerungsvermögen verstehen wir es Zuträgliches von Unzuträglichem zu unterscheiden, uns abzugrenzen wo nötig. Durch unsere dadurch erstarkende Entschlossenheit etablieren wir mit Leichtigkeit neue, wohltuende Gewohnheiten.

Die richtigen Fragen stellen

Zur Stärkung der drei Fakultäten Dhi, Dhriti und Smriti schauen wir uns im Coachingprozess alle Komponenten der Kutsche genauer an. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wann gerät die Kutschfahrt in Gefahr? Reisen die Zügel (= nicht vorhandene Entschlossenheit und Erinnerungsvermögen), gehen die Pferde (Sinnes- und Handlungsorgane) mit ihr durch. Der Fahrer (Geist) hat keine Chance mehr zu unterscheiden, welcher Weg der richtige ist. Ist die Kutsche (Körper) defekt, geht die Reise auch nicht so richtig voran. Ist der Fahrer (Geist) schwach, krank oder blind, wird er mit den Zügeln nicht viel anfangen können und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch keinen guten Kontakt zu den Pferden (Sinnes- und Handlungsorgane) aufbauen können. 

Einladung zu einer Reise als Frau

Im weiteren Verlauf des Coachings geht es dann natürlich um den Transfer der Erkenntnisse aus der Metapher auf das eigene Leben. Wir wollen den Nebel durchdringen, um dahinter wieder klarer und farbenfroher sehen zu können. Was sich hier auftut, entpuppt nicht selten als echtes Geschenk.

Wenn du meinen Artikel bis hierhin gelesen hast und neugierig geblieben bist, dann möchte ich dich an dieser Stelle einladen, auch mal in die Kutsche einzusteigen und dich auf eine Reise zu begeben. Ich unterstütze dich gern.

Der Ayurveda lädt uns Frauen ein, gnädig mit uns zu sein, nicht sofort mit möglichen Symptomen zu hadern, sondern diese als Botschaften zu verstehen. Als kleine, liebevolle Aufforderung, genauer hinzuschauen und sich selbst zu fragen, was man vielleicht selbst zum Entstehen der Beschwerden beigetragen hat und viel schöner, was man auch selbst dazu beitragen kann, diese zu lindern. Über den Kutscher, die Kutsche selbst, über die Pferde oder den Fahrgast. Wir sind viel wissender und selbstwirksamer als wir oft glauben.