Vaginalpilz, PMS, Blasenentzündung, Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit bis hin zur Depression – „eine Krankheit kann viele Väter haben, aber die Mutter jeder Krankheit ist immer der Darm.“ Dieses Sprichwort macht deutlich, dass zahlreiche Beschwerden auf Fehlfunktionen des Darms zurückzuführen sind. Somit leistet dieses Wunderorgan mit seinem faszinierenden Mikrobiom einen immensen Beitrag zu unserer Gesundheit. Lasst uns den Darm einmal durch die Brille des Ayurveda betrachten.

Der Darm als größte Kontaktfläche zur Außenwelt

Mit Abstand ist der Darm das größte Organ unseres Körpers. Er misst 7 bis 8 Meter Länge und durch die vielen Darmzotten und Falten ergibt sich eine Oberfläche in der Dimension eines Fußballfeldes. Als größte Kontaktfläche zur Außenwelt ist er natürlich auch Eintrittspforte für sämtliche Erreger – wen wundert`s, dass er daher auch den Großteil unseres Immunsystems beherbergt.

Der folgende typische Aufbau der Darmwand erstreckt sich über seine volle Länge: Die innerste Schicht des Darms ist die Schleimhaut mit all ihren Zotten und Falten. Dann folgt eine Bindegewebsschicht mit den Lymphbahnen und Blutgefäßen, die die Nährstoffe aus dem Nahrungsbrei aufnehmen und in unseren Körper transportieren. Das so genannte enterische Nervensystem, ein Geflecht aus Nervenfasern, befindet sich in dieser Bindegewebsschicht. Als äußerste Schicht folgt schließlich eine Muskelschicht, die für die Fortbewegung des Darminhalts verantwortlich ist.

Du bist was du isst… UND VERDAUST

Der Verdauungskraft wird im Ayurveda eine sehr große, wenn nicht sogar die größte Bedeutung überhaupt, zugesprochen. Sie wird Agni genannt. Natürlich ist der Grundpfeiler für Gesundheit eine zuträgliche Ernährungsweise, getreu der ayurvedischen Devise: „Bei gesunder Ernährung ist Medizin nicht nötig, bei schlechter Ernährung hingegen ist Medizin nicht wirksam“. Also was nutzt uns eine gesunde Ernährung, wenn der Darm dann nicht im Stande ist, diese bestmöglich zu verwerten und alle Körpergewebe gut damit zu nähren?

Die 7 Dhatus im Ayurveda – wie wir immer wieder neu entstehen

Der menschliche Körper besteht laut Ayurveda aus sieben unterschiedlichen Gewebearten, den sogenannten Dhatus. Sie geben dem menschlichen Körper Struktur und Festigkeit. Man unterscheidet die folgenden Gewebe:

Rasa Dhatu: Nährsaft mit den Untergeweben Menstruationsblut und Muttermilch
Rakta Dhatu: Blut mit den Untergeweben Blutgefäße und Sehnen
Mamsa Dhatu: Fleisch / Muskelgewebe mit den Untergeweben Haut und Muskelfett
Meda Dhatu: Fettgewebe mit den Untergeweben Bänder und Gelenke
Asthi Dhatu: Knochen
Majja Dhatu: Knochenmark und Nervengewebe
Shukra Dhatu: reproduktives Gewebe

Letztendlich entstehen alle Dhatus immer wieder neu aus dem, was wir unserem Körper über die Nahrung zuführen.

So kannst du dir die 7 Dhatus bildlich vorstellen

Bildlich gesprochen kann man sich die Dhatus wie sieben nebeneinander angelegte Getreidefelder vorstellen, die nacheinander – in oben beschriebener Reihenfolge – mit den Nährstoffen aus der Nahrung „bewässert“ werden. Das heißt: Wird der Wasserhahn aufgedreht, fließt das Wasser (Nährstoffe) zunächst zum Feld, auf dem der Nährsaft (Rasa Dhatu) gedeiht. Von hier aus fließt das verbleibende Wasser weiter und nährt das Blut (Rakta Dhatu). Nachdem auch das Blut ausreichend „bewässert“ wurde, wird das Muskelgewebe (Mamsa Dhatu) versorgt. Und so geht die „Bewässerung“ der sieben Felder weiter, bis am Ende auch unser reproduktives Gewebe, Shukra Dhatu, genährt wird.

Es bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass für alle sieben Felder immer genügend Wasser (Nährstoffe) vorhanden ist. Ganz sicher ist die Reihenfolge der Felder kein Zufall. Um unser Überleben sicherzustellen, ist es natürlich erstmal wichtiger, unser Blut und die Muskeln zu nähren, anstatt unser Fortpflanzungssystem. Denn im Zweifelsfall ist die Flucht vor Gefahr erstmal wichtiger als die Fortpflanzung.

Ojas – das was uns zum Strahlen bringt

Sind alle Gewebe wohl genährt, entsteht Ojas, unsere zentrale Lebensenergie. Ojas ist das, was uns Ausstrahlung verleiht und unsere Augen zum Leuchten bringt. Zum Thema Ojas siehe auch meinen Beitrag „Die Schönheit der Frau aus ayurvedischer Sicht“.

Ein Verlust an Ojas führt zu Mangelzuständen, Krankheit und dauerhaft sogar zum Ende des Lebens. Neben unzuträglicher Ernährung verhindern auch mentale Sorgen und Unglücklichsein die Aufrechterhaltung von Ojas. Auch dieses Konzept ergibt Sinn, denn wie wollen wir Zufriedenheit und Glück ausstrahlen, wenn es unserem Körper nicht gut geht. Mangelzustände im Köper rauben uns Lebensfreude.

Agni – das Verdauungsfeuer im Ayurveda

Oberstes Ziel im Ayurveda ist es, das Verdauungsfeuer dauerhaft auf angemessener Flamme brennen zu lassen. Dies ist die beste Voraussetzung dafür, dass all unsere Körpergewebe und letztlich auch unsere Lebensfreude bis ins hohe Alter kräftig und vital bleiben.

Erste Anzeichen eines zu schwachen Agni sind Verdauungsbeschwerden wie Verstopfung, Durchfall oder Blähungen. Mittelfristig kann dies bei uns Frauen zu zahlreichen weiteren Symptomen wie Zyklusstörungen, PMS, hormonelle Dysbalancen oder vorzeitigen Wechseljahren führen.

 

So kannst du dein Agni über die Ernährung stärken

Wir haben die Möglichkeit, unser Agni tagtäglich über unsere Ernährung zu beeinflussen. In dem Zusammenhang ist mir wichtig klarzustellen, dass es DIE eine gesunde Ernährung im Ayurveda gar nicht gibt. Warum nicht? Ganz einfach – weil der Ayurveda jeden Menschen individuell und gemäß seiner Konstitution betrachtet.

Die Wirkung eines Nahrungsmittels wird maßgeblich bestimmt von der Befindlichkeit desjenigen, der die Nahrung aufnimmt. Eine Vata-Konstitution verfügt über eine andere Verdauungskraft als eine Pitta- oder Kapha-Konstitution. Daher ist im Ayurveda gesunde Ernährung nicht gleichzusetzen mit der Aufnahme angeblich optimaler Nährstoffgemische.

 

Acht goldene Faktoren zur Stärkung von Agni

In meiner Naturheilpraxis bilden die folgenden acht Faktoren der ayurvedischen Ernährung den Leitfaden um das Agni und die Darmgesundheit meiner Patientinnen und Patienten zu stärken:

  1. Prakriti: Makro- und Mikronährstoffe eines Lebensmittels und deren Wirkung im Körper
  2. Karana: Transformation durch Zubereitung, Verarbeitung, Lagerung, Reifung eines Lebensmittels
  3. Samyoga: Erzielung neuer Wirkungen durch Kombination von Lebensmitteln
  4. Rashi: Totalquantität und Quantität einzelner Mahlzeitenbestandteile
  5. Desha: Wirkungsweisen aufgrund des Ortes des Wachstums
  6. Kala: Zeitliche Faktor und Rhythmen der Mahlzeiten
  7. Upayogasamstha: die Art und Weise des Essens (Umgebung, Gemütszustand, Gesellschaft..)
  8. Upayoktr: die individuelle Verträglichkeit desjenigen, der die Nahrung zu sich nimmt!!

Erfahre wie Vata, Pitta, Kapha und Agni im Verdauungstrakt ein powervolles Team bilden

Bemerkenswert ist, dass sowohl Vata, Pitta, Kapha und Agni am Verdauungsprozess beteiligt sind. Somit können diese Funktionen auch alle direkt über den Magen-Darm-Trakt beeinflusst und therapiert werden. Schauen wir uns gemeinsam die Wirkungsorte unserer Doshas im Verdauungstrakt an.

Die Verdauung beginnt bereits im Mund, wo Kapha für die Einspeichelung der Nahrung sorgt. Auch Vata ist schon in Mund und Speiseröhre aktiv, indem es für den Weitertransport der Nahrung in Richtung Magen verantwortlich ist.

Erfahre, woran du schwache Doshas im Magen erkennst

Im Magen sind gleich alle drei Doshas aktiv. Kapha ist hier für die Verflüssigung und Mischung der Nahrung sowie für den Schutz der Magenwand vor der Magensäure zuständig. Ist Kapha an der Stelle gestört, ist Agni unweigerlich geschwächt. Typische Folgen können Appetitlosigkeit, Schweregefühl, häufiges Aufstoßen oder seltene Stuhlentleerungen sein. Ein zu schwaches Kapha im Magen führt häufig zu einem Anstieg von Pitta und kann z.B. zu Sodbrennen oder einer Magenschleimhautentzündung führen. Pitta wirkt durch die Salzsäure im Magen. Ist Pitta hier geschwächt, resultiert dies in zu wenig Magensäure. Eine unzureichende Spaltung und Desinfektion des Speisebereis können die Folge sein, was wiederum eine Dysbiose der Darmbakterien oder auch unverdaute Nahrungsmittelbestandteile im Stuhl nach sich ziehen kann.

Vata wirkt durch die Nerven im Magen und sorgt auch hier wieder für den Weitertransport des Speisebreis gen Dünndarm. Denken wir an das Thema Stress, zweifelsohne eine Vata-Störung, wird klar, warum uns Stress sprichwörtlich auf den Magen schlagen kann. Völlegefühl, Übelkeit, Appetitlosigkeit sind typische Folgen von Stress. Die Verdauung läuft verlangsamt ab, der Speisebrei verweilt entweder zu lang im Magen (Verstopfung) oder wird viel zu schnell weitertransportiert (Durchfall).

Woran du ein schwaches Pitta und Agni im Dünndarm erkennst

An den Magen grenzt der Dünndarm, wo Pitta und Agni ein powervolles Duo bilden. Gemeinsam sind sie verantwortlich für die enzymatische Aufspaltung der Nahrungsbestandteile und Resorption der Nährstoffe über die Darmwand.

Sind Pitta und Agni an dieser Stelle geschwächt, ist eine unzureichende Nährstoffversorgung der Körpergewebe die Folge. Im Darm können sich Toxine (Ama) ansammeln, die dazu neigen die Darmwände zu verkleben. Dies erschwert zusätzlich die Resorption von Nährstoffen. Hinweisgebende Symptome können Blähungen, Verstopfung, Durchfall, Reizdarm, aber auch Müdigkeit, Kopfschmerzen, Hautsymptome, Konzentrationsschwäche, etc. sein.

Die Bedeutung von Vata in Dünn- und Dickdarm

Auch im Dünndarm unterstützt Vata alle beweglichen Vorgänge: Die Sekretion der Verdauungssäfte aus der Bauchspeicheldrüse sowie den Gallensaft, die Bewegung der Nährstoffe durch die Darmwand sowie den Weitertransport des verbleibenden Speisebreis gen Dickdarm.

Im Dickdarm findet die letzte Phase der Verdauung statt. Und daran ist auch wieder hauptsächlich Vata beteiligt. Es sorgt hier für den Weitertransport der Abfallstoffe, die Rückresorption von Wasser und Elektrolyten sowie letztlich die Ausscheidung von Abfallprodukten.

Dickdarm: Ein Exkurs in die Wunderwelt Mikrobiom

Auch wenn im Dickdarm keine Nährstoffe mehr resorbiert werden, so kommt ihm dennoch eine überragende Bedeutung zu: Er ist die Heimat zahlreicher Mikroben. Insgesamt besitzt der Mensch ca. 100 Billionen Darmbakterien – das entspricht der zehnfachen Menge unserer Körperzellen. Es ist nicht untertrieben zu sagen, dass unser Mikrobiom eine wahres Superorgan ist.

Erfahre was Bakterien im Darm Gutes für uns tun

Prinzipiell unterscheidet man gesundheitsförderliche Bakterien (z. B. Milchsäurebakterien) von krankmachenden, fäulnisbildenden Bakterien (z. B. pathogene Stämme der Kolibakterien), die bestenfalls in einer gesunden Symbiose miteinander leben. Die „guten“ Laktobazillen vergären Kohlenhydrate zu Milchsäure und helfen durch das saure Milieu, krankmachende Keime zu reduzieren. Außerdem entlasten sie die Leber, da die Aufnahme von Ammoniak verhindert wird. Andere Mikroben bilden Enzyme, die durch Fermentationsprozesse schwer verwertbare Kohlenhydrate aufschlüsseln und so verdaubarer machen.

Neben Enzymen können manche Darmbakterien auch Vitamine oder kurzkettige Fettsäuren wie die Buttersäure herstellen. Diese ist nicht nur Hauptenergiequelle unserer Darmzellen, sondern hat auch eine antientzündliche Wirkung. Einige Darmbakterien können sogar Östrogen produzieren. Somit beeinflusst der Darm auch ganz unmittelbar die Frauengesundheit. Lies hier gern den Beitrag unserer Expertin Andrea Mohr „Der Darm und sein Einfluss auf die Hormone“. Auch bemerkenswert: 95 % des körpereigenen Serotonins wird in unserem Magen-Darm-Trakt gebildet. Über das Blut gelangt es ins Gehirn, von wo aus es für unsere Stimmung, unser Wohlbefinden und unsere Schlafqualität sorgt.

Sorge gut für dein Vata Dosha!

Erinnern wir uns: An den Vorgängen im Dickdarm ist maßgeblich Vata beteiligt. Wir sollten uns daher richtig gut um unser Vata kümmern. Leider ist unser heutiger Lebensstil dafür prädestiniert Vata empfindlich zu stören: Eine unzuträgliche Ernährungsweise, zu wenig Bewegung, zu viel Stress, fehlende Entspannung, belastende Beziehungen, ungelebte Sehnsüchte, unregelmäßiger Schlaf… all das kann Vata massiv erhöhen. Und schon ist unsere Verdauungskraft beeinträchtigt, unsere Körpergewebe werden nicht ausreichend genährt, Ojas und damit unsere Lebensenergie und Strahlkraft leiden.

Die gute Botschaft ist: Wir haben viele Möglichkeiten unserem Vata Gutes zu tun und damit direkten Einfluss auf unsere Darmgesundheit zu nehmen. Neben der Ernährung (siehe oben) haben wir auch andere tägliche Gelegenheiten Vata zu verwöhnen: Es mag banal erscheinen, aber Vata liebt jede Art von Wärme: warme Speisen, angenehm kuschelige Kleidung, ein warmes Bad oder eine Selbstmassage mit warmem Sesamöl. Vata entspringt den Elementen Luft und Raum, ist kühl und leicht – sorge für entsprechenden Gegensätze in deinem Leben: Erde dich durch Yoga, lange Spaziergänge in der Natur, pflege wohltuende Beziehungen. Genieße regelmäßige Rituale in deinem Alltag wie die erste Tasse Tee am Morgen im Garten oder die halbe Stunde mit deinem Tagebuch gegen Abend. Dein Agni wird es dir danken.

Gerne berate ich dich in meiner Praxis, denn manchmal braucht es einen individuellen ayurvedischen Fahrplan, um die Regenerationskräfte unseres Wunderorgans Darm sanft aber effektiv anzuschubsen. Denn was gibt es Schöneres, als wohlgenährte Körpergewebe und eine gute Portion Ojas bis ins hohe Alter!