„Hallo Frau Woithe, ich habe ganz ganz schlimme Übelkeit. Kann ich heute vorbeikommen, damit Sie mir irgendwas spritzen? Ich sterbe fast, habe seit 3 Tagen nichts gegessen und liege kraftlos im Bett. Sobald ich aufstehe, übergebe ich mich. Am Sonntag fängt die 9. SSW an.“  Kommt euch das bekannt vor? Haben eure Freundinnen oder Bekannte so etwas oder ähnliches in der Schwangerschaft erlebt? Ich höre solche Beschwerden häufig in meiner Praxis. Was ist der Grund? Das wollen wir in dem aktuellen Beitrag besprechen.

Da ist frau nun endlich – oder auch plötzlich – schwanger, will sich auf das Kind freuen und dann sowas! Übelkeit von morgens bis abends, oft durchgängig und egal, was sie isst, trinkt, riecht – alles verursacht Übelkeit. Das Erbrechen verschafft der Schwangeren manchmal eine Erleichterung, die oft nur kurzzeitig anhält. Dann geht es aber wieder los mit dem flauen Gefühl in der Magengegend.

Ist das immer so?

Nein, nicht alle Schwangeren leiden unter Schwangerschaftsübelkeit, nicht alle gleichermaßen, nicht gleich stark und nicht gleich lange. Etwa die Hälfte aller Schwangeren muss sich anfangs häufiger übergeben, ein weiteres Drittel leidet unter Übelkeit, ohne sich zu erbrechen. Für gewöhnlich beginnt die Übelkeit ab der 6. Schwangerschaftswoche, hat ihren Höhepunkt zwischen der 8. und 9., manchmal auch zwischen der 9. und 11. Woche. Im Laufe des 2. Trimester, also ca. ab der 16. SSW, kommt der Körper dann zur Ruhe. Bei manchen Schwangeren dauert die Quälerei aber auch noch im 5. oder gar 6. Schwangerschaftsmonat weiterhin an.

Was kann helfen?
Ich stelle dir 10 Möglichkeiten vor!

1. Kleine Mahlzeiten

Ja, wenn du Nahrung bei dir behalten kannst, dann kann es hilfreich für den Magen sein, ihn nicht zu überfordern und lieber mehrmals täglich kleine Portionen zu sich zu nehmen. Das sorgt auch für einen stabilen Blutzuckerspiegel. Für alle Low-Carb-Freundinnen: In der Schwangerschaft spielen Kohlenhydrate eine wichtige Rolle und können die Übelkeit erfolgreicher lindern als Fette und Eiweiße.

Manchen Schwangeren hilft es, sich eine Reiswaffel, Zwieback oder Grissini ans Bett zu legen und direkt vor dem Aufstehen zu knabbern. Hebammen empfehlen auch Datteln. Tatsächlich geht es vielen Schwangeren relativ gut, solange sie kauen. Nüsse, Salzstangen, rohe Möhren gilt es auszuprobieren. Dein Körper wird dir seine Gelüste sehr deutlich bekannt geben und du darfst und solltest darauf hören.

2. Ruhe und Entspannung

Natürlich hilft das! Wenn Frau glaubt, dass sie nun schwanger ist und genauso leistungsfähig wie vorher auf jeder Hochzeit mittanzen kann, dann wird sie durch die Übelkeit oft eines Besseren belehrt. Der Körper verlangt nach Ruhe, um entspannt seiner großen Aufgabe nachgehen zu können. Frau darf nun ganz gelassen mit einer Tasse Melissen- oder Schwangerschaftstee auf dem Sofa ausruhen. Viele Schwangere berichten, dass ihnen frische Luft, aufrechtes Sitzen und leichte Bewegung gegen die Übelkeit guttun.

3. Und was ist mit Ingwer?

Es lohnt sich, es auszuprobieren, beispielsweise als Ingwertee oder Ingwer im Essen. Ingwer kann aber auch zu Sodbrennen führen. Und manchen Schwangeren wird von den ätherischen Ölen im Ingwer nur noch übler.

4. Wenn B-Vitamine fehlen

Vor allem das Vitamin B6 kann zu einer Linderung der Beschwerden führen. Enthalten ist B6 in höherem Maße in Pistazien, Sonnenblumenkernen, grünen Bohnen und Basilikum. Ist die Schwangere diesen Nahrungsmitteln gegenüber abgeneigt, können die Vitamine auch als Kapseln eingenommen werden. Immer vorausgesetzt, die Schwangere erbricht sich nicht sofort wieder.

5. Greife zu Kräutern

Kräutermischungen aus der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) können den Magen beruhigen und ausgleichend wirken. Es gibt im Internet spezielle Mischungen für Schwangere, z. B. von Weidinger. Auch die westliche Kräuterheilkunde hat für Schwangerschaftsübelkeit einiges zu bieten. Hildegard von Bingen nennt hier vor allem den Kümmel.

6. Akupunktur, Akupressur und Druckpunkte

Für die Akupressur eignet sich der Punkt Perikard 6 (Neiguan). Er befindet sich an der Unterseite des Handgelenks, etwa dort, wo wir ein Uhrenarmband tragen. In den USA wird Perikard 6 standardmäßig vielen Schwangeren mit einem Dauerpflaster akupressiert. Man kann den Bereich auch leicht massieren oder mit frischem Ingwer einreiben.

Es gibt Akupressur-Armbänder für die Seekrankheit – definitiv ausprobierenswert. Sie helfen oft ganz gut gegen die Übelkeit im Magenbereich, die uns auch in der Schwangerschaft so oft zu schaffen macht. Auch Akupunktur kann helfen – in eurer Nähe findet ihr bestimmt eine entsprechende Praxis.

7. Mit Düften gegen Übelkeit

Vor allem Citrus und Bergamotte kommen hier zum Einsatz. In einem Diffusor kannst du sie im Raum vernebeln oder du riechst ab und zu an einer Zitrone. Ansonsten kannst du auch ein paar Tropfen Aromaöl in ein kleines Gefäß mit Wasser in den Raum stellen oder ein wenig von dem Aromaöl auf der Holztischplatte verreiben. Naturreine Öle kannst du direkt auf die Schläfen oder andere Hautstellen auftragen, wenn der Duft dir gut tut.

Dein normales Deo oder Parfüm kann jetzt Ekel verursachen. Meide es also lieber, es sei denn, du magst es super gerne riechen.

8. Das Hormon Progesteron

Dieses wichtige Hormon wurde auf unseren Generation Pille-Seiten schon viel zitiert. Auch bei Schwangerenübelkeit gilt: Ein Ausgleich des eventuellen Progesteronmangels kann die Beschwerden lindern. Aber Achtung! Hier bitte nicht eigenmächtig vorgehen, sondern unbedingt mit einem/einer erfahrenen Therapeut/in, z. B. einer naturheilkundlichen Frauenarztpraxis, absprechen!

9. Homöopathie

Hier kann einiges für dich drin sein. Viele Schwangere schwören drauf, wenn das für sie passende Mittel gefunden wird. Denn da gibt es ein paar Unterschiede. Generell werden klassische Symptome mit der Konstitution der Frau abgeglichen und ausgewählt. Hier ein paar grundlegende Mittel:

SEPIA, die Oktopustinte:
Starke (Morgen-) Übelkeit, Verlangen nach Saurem (z. B. Essiggurken), Erbrechen, Würgen, Bauchkrämpfe, Ekel bei (Essens-) Geruch und/oder dem Anblick von Speisen, harter Stuhlgang, Blähungen.

IPECACUANHA, die Brechwurzel:
Erbrechen lindert die Übelkeit NICHT, kann fast nichts essen und trinken, kein Durstgefühl, Speichelbildung, würgt Schleim hoch, generell heftigere Beschwerden als bei Sepia-Typen.

NUX VOMICA, die Brechnuss:
Wenn weniger die Gerüche das Problem sind, sondern eher Stress und Anspannung die Übelkeit auslösen bzw. verschlimmern, Schwere- und Völlegefühl im Magen, morgens oft Übelkeit und Brechreiz, Sodbrennen, evtl. Magenschmerzen, Stuhldrang ohne Erfolg, möglicherweise Hämorrhoiden, die Schwangere fühlt sich gestresst und überfordert.

 ARSENICUM ALBUM, weißer Arsenik:
Auslöser der Übelkeit sind eher Angst und Unruhe, die Schwangere hat Durst, aber kalte Getränke bekommen ihr nicht, warme Getränke lindern, schon leichte Anstrengung verschlechtert den Zustand, Frieren/Frösteln, eher ängstlich, Sodbrennen, Sorgen (z.B. um die Gesundheit)

 COLCHICUM, die Herbstzeitlose:
Wenn es ihr schon beim DENKEN an Gerüche flau im Magen wird, trotz der Übelkeit möchte sie gerne einen Kaffee und ist durstig, evtl. Schwindel, Kreislaufprobleme und Ohnmachtsneigung.

 Lass dich am besten von einer/einem ausgebildeten Homöopath/in beraten.

10. Schulmedizinische Medikamente

Manchmal wird Vitamin B6 in Kombination mit einem Antihistaminikum verabreicht. Ein gewisser Effekt kann hier eventuell erzielt werden. Die Belege dafür sind aber sehr dünn.

Vomex wird des Öfteren verabreicht, hilft aber meistens nicht, da der Magen-Darm-Bereich, auf welchen dieses Medikament wirkt, nicht ursächlich für die Schwangerschaftsübelkeit ist. Im Krankenhaus wird manchmal das Corticoid Methylprednisolon verabreicht, das aber erst nach der zehnten Schwangerschaftswoche eingenommen werden darf, da es sonst Lippen- und Gaumenspalten beim Kind verursachen kann.

Ist eine besonders große Übelkeit sogar ein Indikator für eine gut verlaufende Schwangerschaft? 

Der Volksmund zumindest behauptet das, was ja verständlich ist, wenn man bedenkt, dass zwei Drittel der Schwangeren unter Übelkeit leiden und am Ende gesunde Babys zur Welt bringen. Wissenschaftlich fundiert ist das aber nicht und auch Schwangere ohne Übelkeit können sich über ihre Schwangerschaft und auf gesunde Babys freuen.

Du fragst dich jetzt noch: „Woher kommt die Übelkeit?“

Die genaue Entstehung ist unklar. Sehr wahrscheinlich spielen hormonelle Faktoren eine Rolle. Damit die Gebärmutterschleimhaut aufrecht erhalten bleibt, steigt der beta-HCG-Wert anfangs rasant an. Dieses Hormon ist im Schwangerschaftstest und im Blut nachweisbar. Auch die Hormone Östrogen und Progesteron erhöhen sich in den ersten Wochen schnell. Der Körper fährt auf Hochtouren und leistet enorme Arbeit. Verdauung ist eine zusätzliche Belastung, die der Körper dann manchmal ablehnt.

Außerdem gelangen fetale Stoffwechselprodukte in den mütterlichen Kreislauf und werden ausgebracht. Ja, dein Körper sorgt jetzt für zwei, ein völlig neues und einzigartiges Menschlein wird versorgt und hat eben auch seinen eigenen Stoffwechsel mit eigenen Abfallprodukten, an die der mütterliche Stoffwechsel nicht gewöhnt ist, und dennoch bei der Verarbeitung kräftig mithilft.

Es können aber auch psychische Auslöser eine Rolle spielen

Schließlich stehst du vor einer neuen Herausforderung, die dein Leben komplett ändern wird. Da kann einem schonmal flau im Magen werden.

Aufmerksam sollte Frau werden…

… wenn tagelang keine Nahrung mehr aufgenommen oder bei sich behalten werden kann. Ein/e Arzt/Ärztin oder Therapeut/in sollte hier an unterstützende Infusionen denken, um den Flüssigkeits- und Nährstoffbedarf auszugleichen.

Die leichte, geradezu typische, morgendliche Übelkeit in der Frühschwangerschaft ist nämlich abzugrenzen vom übermäßigen Schwangerschaftserbrechen, der Hyperemesis gravidarum, im ersten Trimenon. Diese kann mit einer Gefährdung von Mutter und Kind einhergehen. Bei der üblicherweise stationären Aufnahme wird vor allem der Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt durch Infusionen ausgeglichen. Manchmal ist sogar eine vollständige parenterale Ernährung nötig, also die komplette Nährstoffversorgung durch Infusion.

Eine häufig gestellte Frage: „Kann die Stärke der Übelkeit einen Hinweis auf das Geschlecht des Kindes geben?“

Es wird behauptet, dass eine stärkere Übelkeit durch einen besonders hohen b-HCG-Wert verursacht wird, welcher wiederum darauf hindeutet, dass das Ungeborene ein Mädchen wird. In meiner Praxiserfahrung kann ich das allerdings nicht bestätigen. Aus meiner Sicht bringen genauso viele Frauen mit starker Übelkeit im Anschluss gesunde Jungen zur Welt. Auch die Bauchform – spitz = Junge, rund = Mädchen – kann ich nicht bestätigen.

Es macht jedoch Spaß, ein wenig zu rätseln, bringt dir das doch eine gesunde Aufmerksamkeit für deinen Körper und für dich selbst, welche wiederum das Wohlbefinden steigern kann und dich automatisch das Richtige tun und lassen lässt.