Eines der häufigsten Probleme, vor denen junge Frauen auf einmal stehen, wenn sie sich endlich dazu überwunden haben, die Pille abzusetzen, sind die hormonellen Unstimmigkeiten danach. Irgendwie bleibt die Regel aus oder ist unregelmäßig, man googelt, liest Horror-Geschichten und landet früher oder später beim Gynäkologen. Nach einer kurzen Besprechung und einem Blick mittels Ultraschall auf die Eierstöcke ist die Diagnose gestellt: PCO-Syndrom. Oder doch nicht?
In den letzten Jahren hat uns dieses Syndrom überrollt wie eine Welle! In jedem Online-Forum, in Facebook-Gruppen, Blogs, YouTube-Kanälen und im Freundes- und Bekanntenkreis wird man auf einmal mit dem Thema PCOS konfrontiert. Viele kennen es, keiner will es, aber nahezu jeder hat es.
Ich persönlich glaube, dass diese PCOS-Welle einen ganz anderen Hintergrund hat:
Schnellschuss-Diagnosen. In den letzten Jahren habe ich mich mit sehr vielen Frauen unterhalten, die diese Diagnose nach dem Absetzen der Pille bekamen, wie auch ich. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich die jeweilige Diagnostik aussah. Keine einzige von ihnen durchlief die komplette Diagnostik, sie hatten auch nicht die gleichen Beschwerden, aber alle bekamen den gleichen Behandlungsvorschlag: die Pille. Welch eine Ironie!
Auch die Fachärztin für Gynäkologie & Geburtshilfe, Ärztin für Naturheilverfahren und Autorin Dr. Dorothee Struck kennt diese Schnellschüsse, denn mehr als die Hälfte der Patientinnen, die mit dem „Label“ PCO-Syndrom in ihre Praxis kommen, haben gar keins und oft nicht mal eine vollständige Diagnostik hinter sich.
Ab und zu frage ich mich, ob das nicht ein Vorwand von faulen Gynäkologen ist, die sich nicht wirklich mit dem Patienten auseinandersetzen wollen, denn zu dem „richtigen“ PCO-Syndrom gehört mehr als nur ein paar Eibläschen! Aber was eigentlich? Gehen wir der Sache mal auf den Grund!
Was ist PCOS?
Ich glaube, die Verwirrung fängt schon beim Namen an, denn der leitet sich nur aus einem der möglichen Symptome ab, nämlich den Zysten.
Polyzystisches Ovar-Syndrom oder auch Polyzystisches Ovarial-Syndrom:
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poly ist ein Begriff für „viele, mehrere“
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zystisch bedeutet „Zysten bildend“
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Ovar ist der Eierstock, ovarial bedeutet „zum Eierstock gehörend“
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Syndrom bezeichnet ein wiederkehrendes Muster von Symptomen, welches sich bei verschiedenen Patienten in ähnlicher Form zeigt, deren Ursache sich nicht auf einzige Krankheit zurückführen lassen.
So ist es also kein Wunder, dass es sehr schwer ist, genau festzustellen, ob eine Patientin es tatsächlich hat oder auch nicht. PCOS ist ein schwer umstrittenes Thema, bei dem sich nicht einmal Fachgesellschaften einig sind. Es gibt die verschiedensten Thesen über die Ursache dieses Syndroms. Einige sind sich sicher, dass es eine genetische Ursache gibt, andere berichten von verschiedenen Ursachen wie beispielsweise aus einer Insulinresistenz entstehendes oder auch aus einer im Körper bestehenden Entzündung (z.B. Hashimoto) entstehendes PCOS.
Zu den gängigsten Symptomen, unter denen die Patientinnen beim Polyzystischen Ovar-Syndrom leiden, gehören unter anderem:
Zyklusstörungen (keine oder seltene Menstruation), Haarausfall, vermehrte Körperbehaarung, Akne, ausbleibende Eisprünge, Gewichtszunahme, unerfüllter Kinderwunsch und die besagten vielen Eibläschen bzw. Zysten an den Eierstöcken.
Wie sieht die korrekte Diagnostik aus?
Da ein Syndrom immer nur nach Ausschluss aller anderen möglichen Ursachen diagnostiziert werden kann, braucht es bei PCOS zwei Schritte. Erst die Anamnese & das Erfüllen der Kriterien und anschließend das Ausschlussverfahren.
Ich habe mit der Fachärztin für Gynäkologie & Geburtshilfe, Ärztin für Naturheilverfahren und Autorin Dr. Dorothee Struck über die Diagnostik gesprochen. Sie erklärt:
„Für Europa gelten aktuell die Rotterdamm-Kriterien, wobei zwei von drei erfüllt sein müssen.“
- Amenorrhoe oder Oligomenorrhoe (ausbleibende oder seltene Menstruation)
- laborchemische oder klinische Hinweise für eine Hyperandrogenämie (= Überschuss männlicher Geschlechtshormone bei der Frau, darunter fällt auch der Hirsutismus mit männlichem Behaarungsmuster)
- die „Perlschnurovarien“ im Ultraschall, also die besagten Ovarialzysten (mindestens 12 Follikel)
Erfüllt man nun zwei dieser drei Kriterien, ist PCOS trotzdem noch lange nicht diagnostiziert! Denn wie anfangs schon erwähnt, müssen nun noch alle anderen möglichen Erkrankungen als Ursache für die Symptome ausgeschlossen werden.
Frau Dr. Dorothee Struck ist der Meinung „Bevor nicht ganz klar ist, ob nach Ausschluss aller anderen Fieslichkeiten wie AGS, Hashimoto oder Hypophysenschwäche es wirklich so ist, finde ich es immer ganz schwierig, von PCO zu sprechen.“
Um diese Möglichkeiten auszuschließen, sind die hierzu notwendigen Laboruntersuchungen erforderlich! Falls diese nicht gemacht wurden oder der Arzt sie nicht machen möchte, ist es wichtig, den Arzt ganz offen darauf anzusprechen, einzufordern und sich auch gerne noch eine zweite Meinung bei einem anderen Mediziner einzuholen.
Wie kommt es nach dem Absetzen der Pille häufig zu dem Irrtum?
Ganz einfach: die Symptome ähneln sich! Nachdem man jahrelang mittels Pille seine eigene Hormonproduktion und somit auch den Eisprung unterdrückt, ist es gut möglich, dass die lieben Eierstöcke einfach verlernt haben, was eigentlich ihre Aufgabe ist.
Das bedeutet: Es ist absolut keine Seltenheit, dass nach dem Absetzen einige Zeit keine Ovulation stattfindet und die Menstruation erst einmal ausbleibt oder noch nicht regelmäßig ist. Auch die so gefürchteten, bösen Zysten sind – wenn man mal weiß, wo sie herkommen – eigentlich nicht so angsteinflößend, denn auch das kann nach Absetzen der Pille mal passieren.
Erklärung: In den weiblichen Eierstöcken reifen immer mehrere Follikel heran, doch nur eins davon wird dominant und schafft dann den „Sprung“. Sind die Eierstöcke aber noch im Pillen-Koma, schafft es keins der Follikel fertig zu reifen, es gibt keinen Eisprung und die vielen „halbfertigen“ Follikel sind als kleine Zysten zu sehen.
Oder wie Frau Dr. Struck es formulierte „… die polyfollikulären Ovarien vieler Pillenabsetzerinnen sind eher „Bewerberstau“. Das heißt, viele nicht zum Zuge gekommenen halb-gereiften Eizellen treten sich gegenseitig auf die Füße und keiner macht das Rennen. Also haben die meisten nach der Pille kein echtes PCO, aber da die Ovarien neben den Nebennieren auch männliche Hormone bilden, kommt da gerne mal was durcheinander.“
Da bleibt nur noch zu sagen „Nach Absetzen der Pille haben viele Frauen einfach nur Faulpelz-Ovarien, die das Arbeiten verlernt haben. Vieles regelt mit guter Ernährung, Vitaminen und Selbstfürsorge die Zeit, andere brauchen gezielten Anschubs.“
Falls es also vor der Einnahme der Pille keine Anzeichen für das PCO-Syndrom gab und es erst nach dem Absetzen vermutet wird, werft einen genauen Blick auf die Art der Diagnose, traut euch, auch mal etwas zu hinterfragen und holt euch zur Not noch eine Zweit- oder Drittmeinung ein.
Sollte PCOS korrekt diagnostiziert worden sein und ihr möchtet die „üblichen“ Behandlungsmethoden nicht (wie beispielsweise die Pille), geht auf die Suche nach einem Gynäkologen, der sich auch mit Naturheilverfahren auskennt, oder zu einem Heilpraktiker und lasst euch dort eure Alternativen aufzeigen.
Über die Autorin dieses Artikels
Isabel ist Gründerin von Generation Pille und Autorin der Bücher „ByeBye Pille“ und „Kleine Pille, große Folgen„. Ziel der Seite und jedem einzelnen Beitrag ist es, Frauen zu helfen, ihren Körper besser zu verstehen, Symptome zu deuten und sowohl körperliche als auch hormonelle Zusammenhänge zu begreifen. Der Fokus ihrer Beiträge liegt hierbei ganz klar auf den Themengebieten Frauengesundheit, Hormone, hormonelle Beschwerden und natürliche Verhütung.