In meinem heutigen Beitrag erkennen sich wahrscheinlich hauptsächlich Frauen um die 40 wieder. Dies ist die Zeit, in der sich meist die ersten kleinen hormonellen Veränderungen bemerkbar machen. Allein der Begriff „Wechseljahre“ wirkt auf viele Frauen in diesem Alter wie ein Schreckgespenst, und ist es doch irgendwie auch noch ganz weit weg – 40 so heißt es, ist das „neue 30“! Vielleicht gelingt es mir heute, unter anderem durch die Betrachtungsweise des Ayurveda, für diese ganz wundervollen Jahre eine Lanze zu brechen.

Was auf körperlicher Ebene passiert

Schon ab dem 35. Lebensjahr können vereinzelt Zyklen ohne Eisprung stattfinden. Viele Frauen merken dies möglicherweise gar nicht. Vielleicht sind die Blutungen etwas schwächer als gewohnt, was oft nicht hinterfragt wird. Dennoch, ein Zyklus ohne Eisprung hat Folgen: Ein Follikel, in dem kein Ei heranreift oder woraus kein Ei springt, produziert weniger oder vielleicht auch gar kein Progesteron. Dies führt zu einem deutlichen Ungleichgewicht zwischen den beiden Geschlechtshormonen Östrogen und Progesteron. Östrogen bleibt in dem Fall auch in der zweiten Zyklushälfte recht allein auf weiter Flur.

Und was sagt der Ayurveda dazu?

Gemäß der fernöstlichen Heilkunde sind erste hormonelle Veränderungen in der weiblichen Lebensmitte völlig normal und gehören zu dieser Lebensphase dazu. Sie sind Ausdruck einer Veränderung: Von den Jahren der Fortpflanzungsfähigkeit geht es hin zu einer selbst-reflektierenden, kreativen Phase der Neuorientierung. Dabei nimmt die Kraft von Pitta, dem Feuerelement, allmählich ab. Gleichzeitig steigt die Vata-Energie, die aus den Elementen Luft und Raum hervorgeht und das Kreative und Intuitive in uns fördert. Das „Kräftegerangel“ beider Energien kann Dysbalancen zum Vorschein bringen, in Form von körperlichen, aber auch mentalen und seelischen Symptomen.

Der Grund für Symptome: Progesteronmangel

Die meisten Frauen gehen davon aus, dass Beschwerden rund um die Wechseljahre ein Östrogenthema sind. Dem ist aber nicht so, denn tatsächlich ist das erste Hormon, das abnimmt, das Progesteron. Erst wenn die Periode ein Jahr lang ausgeblieben ist und damit die Hormonproduktion in den Eierstöcken vollständig eingestellt wurde, steht der Östrogenmangel mit all seinen Symptomen im Vordergrund. Doch bis dahin können vielleicht 10 – 15 Jahre vergehen. Ab Ende 30 bis weit in die 40er hinein können die Hormonwerte immer wieder schwanken. Alles ist möglich – auftretende Beschwerden sind in erster Linie auf den Mangel an Progesteron zurückzuführen.

Wenn das „Wohlfühlhormon“ fehlt

Liebevoll nennen wir im Kollegenkreis Progesteron auch „Wohlfühlhormon“. Wenn wir uns die typischen Symptome eines entsprechenden Mangels anschauen, wird auch deutlich, warum. So können eine verminderte Stressresistenz oder auch eine ungewohnte Ängstlichkeit bis hin zur depressiven Verstimmung empfunden werden. Das sinkende Progesteron kann uns Frauen die Leichtigkeit und Fröhlichkeit nehmen; was uns noch vor kurzem so leicht von der Hand ging, wiegt plötzlich schwer wie Blei. Zudem können folgende weitere Beschwerden erstmalig auftauchen oder sich verstärken:

  • PMS
  • Schlafstörungen
  • Zyklusunregelmäßigkeiten
  • Wachsen von Myomen
  • starke Stimmungsschwankungen
  • Brustspannen, vor allem in der 2. Zyklushälfte
  • Gewichtszunahme
  • Wassereinlagerungen
  • Verstopfung
  • Müdigkeit
  • Blähbauch
  • Kopfschmerzen und Migräne
  • steigendes Hashimoto Risiko

Aus Sicht des Ayurveda sind dies alles Vata-bedingte Störungen, die zu Beginn der Wechseljahre aus einem Kräftemessen zwischen Pitta und Vata entstehen. Wer die ein oder andere dieser Beschwerden kennt, steht nicht alleine da. Nur ein Drittel der Frauen erlebt die Jahre ab Ende 30 „problemlos“. Für alle anderen gilt: Die Naturheilkunde bietet viele Ansätze, die Körper und Geist in den Jahren des Wechsels unterstützen. 

Hilfe aus der Naturheilkunde und dem Ayurveda

Da die Beschwerden so vielfältig und sehr individuell sind, rate ich jeder Frau, bei der HeilpraktikerIn ihres Vertrauens den aktuellen Hormonstatus bestimmen zu lassen. Am besten hierfür geeignet ist der Speicheltest, denn der gibt an, welche Hormone in welcher Menge tatsächlich in der Zelle, ihrem Bestimmungsort, ankommen. Den tatsächlichen Hormonstatus zu bestimmen, ist immens wichtig. Häufig greifen Frauen im Drogeriemarkt mal eben zu einem Nahrungsergänzungsmittel für die „Wechseljahre“, in der Hoffnung, dass sich kleine Beschwerden dadurch verflüchtigen. Bitte, bitte nicht!! Viele dieser Präparate enthalten z. B. Rotklee-Essenzen oder auch Soja. Keine Frage, beides sind wertvolle Pflanzen in der Frauenheilkunde, nur „leider“ wirken diese östrogenartig und würden höchstwahrscheinlich die Symptome eines Progesteronmangels bzw. Östrogenüberschusses noch fördern.

Im Falle eines Progesteronmangels gibt es zahlreiche andere phytotherapeutische und homöopathische Mittel, die den Körper dabei unterstützen, in sein hormonelles Gleichgewicht zu finden. So z. B. Alchemilla (Frauenmantel), Pulsatilla (Kuhschelle), Achillea millefolium (Schafgarbe) oder auch Agnus castus (Mönchspfeffer), um nur ein paar wenige zu nennen. Auch der Ayurveda bietet in dieser Zeit ganz wundervolle Heilpflanzen wie Ashwaghanda, Shatavari, Amalaki oder Ashoka. Die Bandbreite ist breit und der Therapieweg zeigt sich deutlich, wenn einerseits Hormonstatus und andererseits Konstitution der Patientin, die ich sehr gerne ayurvedisch bestimme, klar sind.

Die Kraft der Ernährung

Auch über unsere Ernährung haben wir tagtäglich mehrmals die Chance, unserem Körper ganz viel Gutes zu tun. Leider gilt aber auch das Gegenteil: Bestimmte Nahrungsmittel können auch im Falle eines Östrogenüberschusses diesen noch weiter begünstigen. So empfehle ich betroffenen Frauen z. B. auf Fleisch aus konventioneller Haltung zu verzichten. Wie oft werden diese Tiere mit gentechnisch verändertem Futter gemästet oder für ein schnelleres Wachstum mit hormonähnlichen Produkten gespritzt. Sogenannte Xenoöstrogene gelangen in unseren Körper und können ein vorhandenes hormonelles Ungleichgewicht fördern oder verstärken. Gleiches gilt für konventionelle Milch- und Käseprodukte. Laut Ayurveda ist pasteurisierte Bio-Milch ein Lebenselixier, das sicherlich viele wertvolle Makro- und Mikronährstoffe bietet. Allerdings gilt auch hier: Die Milch hat einen geringen Anteil an tierischen Hormonen. Immerhin stammt die Milch ja von Kühen, die kürzlich gekalbt haben. Des Weiteren empfiehlt es sich, Sojaprodukte eher zu meiden, selbst wenn ich Sojabohnen für grundsätzlich sehr nahrhaft und gesund halte. ABER Soja zählt zu den Phytoöstrogenen; ihre sekundären Pflanzenstoffe (Isoflavone), ähneln strukturell dem menschlichen Östrogen und können einen vorhandenen Östrogenüberschuss verstärken. Daher: Kein Soja bei ersten Zeichen einer hormoneller Veränderung!

Aber keine Sorge – neben all dem, was vermieden werden sollte, gibt es auch viele Nahrungsmittel, über die sich unser Hormonhaushalt ganz besonders freut. Dazu zählen u. a. buntes, frisches Gemüse und Obst, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, gute Quellen für einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren (insbesondere für Omega 3), wie Algen- oder Fischöl, Leinöl, Walnussöl, aber auch Olivenöl, verschiedene Nüsse und Saaten. Je mehr wir hierbei auf biologisch, regional und saisonal setzen, umso besser für unseren Körper.

Die Individualität des Ayurveda – auch in der Ernährung

Im Ayurveda können wir über die Ernährung ganz individuell auf einzelne Beschwerden rund um die Wechseljahre eingehen. Hier wählen wir zunächst die Nahrungsmittel aus, die zum jeweiligen Dosha-Typ und den vorliegenden Beschwerden passen. Das Wissen um die Wirkung der Nahrungsmittel durch Geschmack (Rasa), Eigenschaften (Gunas), Potenz (Virya) und Heilqualitäten (Karma) ist die Grundlage für einen sehr individuellen Ernährungsplan nach ayurvedischen Prinzipien. Abgerundet wird dieser durch Tipps rund um Zubereitungsarten, Lebensmittelkombinationen, Mahlzeitenmengen und -größen, sowie Art & Weise des Essens. Eine Beratung biete ich dir gerne in meiner Praxis an.

Die Bedeutung des Verdauungsfeuers in Zeiten der Veränderung

Den Ayurveda schätze ich auch dafür, dass er uns Menschen ganz besonders ganzheitlich betrachtet. So ist die Ernährung eine gute Überleitung zu einem weiteren Thema, das mir im heutigen Beitrag so wichtig ist: Die Bedeutung der Verdauung. Grundsätzlich zielt im Ayurveda alles zunächst darauf ab, eine gesunde Verdauung zu erwirken bzw. das Verdauungsfeuer, im Ayurveda „Agni“ genannt, zu stärken. Ist der Darm gesund, ist auch der Mensch gesund. Ist unser Agni schwach, entsteht „Ama“. Mit Ama meint der Ayurveda Stoffwechselrückstande auf körperlicher Ebene, z. B. Verklebungen an den Darmwänden oder Schlacken in den unterschiedlichen Geweben. Verweilt Ama im Körper, kann es Ursache sein für unterschiedlichste Entzündungs- oder Krankheitsprozesse im Körper, die uns zunehmend schwächen und das gesunde Gleichgewicht, auch auf hormoneller Ebene, stören. Frühe Wechseljahresbeschwerden sind dann wahrscheinlicher. Je stärker unser Agni brennt, umso weniger Beschwerden werden wir auch zu Beginn der Wechseljahre spüren.

Wenn Unverdautes uns einholt

Die Funktion Agni beschränkt sich jedoch nicht nur auf den körperlichen Stoffwechsel, also funktionstüchtige Verdauungsorgane, sondern auch auf die geistigen und seelischen Kräfte des Menschen. Neben der festen Nahrung, die wir uns tagtäglich zuführen, wollen auch alle Eindrücke, die wir von außen aufnehmen, verdaut werden. Somit nähren uns diese auf subtile Weise und nehmen immensen Einfluss auf unser seelisches Wohlbefinden.

Wie wir oben gesehen haben, kann ein Progesteronmangel auch zahlreiche mentale Beschwerden hervorrufen. Laut der ayurvedischen Psychologie lassen sich viele dieser Beschwerden auf negative und unterdrückte Emotionen zurückführen – egal wie viele Jahre sie zurückliegen – sie „arbeiten“ subtil noch immer in uns. Der Ayurveda bezeichnet diese Belastungen als mentales Ama. Erste hormonelle Veränderungen zu Beginn der Wechseljahre bringt Verdrängtes automatisch an die Oberfläche und lässt Frauen Rückschau auf ihr bisheriges Leben halten. Die Botschaft dahinter: Nehmen wir unerfüllte Wünsche oder unterdrückte Emotionen mit in die Wechseljahre, bahnen sie sich jetzt ihren Weg ans Licht und verstärken zudem oft körperliche Beschwerden. Doch keine Sorge, das Leben meint es gut mit uns – wir dürfen dieses Phänomen als Chance begreifen.

Gesunder Egoismus und Selbstliebe

Ihr lieben Frauen um die 40, vor euch liegt noch eine ganze Lebenshälfte, bestenfalls voller Gesundheit und Energie. Fühlt euch eingeladen, eurem Körper und eurer Seele ein ordentliches Maß an Achtsamkeit zu schenken. Euer Körper meint es gut mit euch, wenn er sich über Symptome Aufmerksamkeit verschafft. In diesen Jahren möchte er uns meist liebevoll daran erinnern, dass sich Frau inzwischen vielleicht mehr selbst in den Fokus nehmen darf. Sie darf sich fragen, ob sie ausreichend Erholung und Entspannung erfährt. Sie darf beobachten, welche Ernährung ihr gut oder weniger gut bekommt. Sie darf häufiger „nein“ sagen, sich zunehmend Zeit für sich nehmen. Und sie darf diese Jahre als Chance begreifen. Erfüllt euch den ein oder anderen bisher immer aufgeschobenen Wunsch. Vielleicht auch die Idee, in einem Lebensbereich nochmal ganz neu durchzustarten. Alles ist möglich. Ein Hoch auf die zweite Lebenshälfte!