Solange dieses kleine Organ gut funktioniert, bleibt es den meisten Menschen tatsächlich unbekannt. Dabei steuert der Schmetterling in unserem Körpersystem nahezu alle Funktionen, von Kohlehydratumsatz sowie -speicherung, Sauerstoffverbrauch, Wärmeregulation, über Muskelfunktion, Herzschlag und Blutdruck bis hin zur Bildung von Proteinen und auch zur Entwicklung und Funktion des zentralen Nervensystems und der Genitalorgane. Bemerkbar macht sich das bei Verdauung, Libido, Beschaffenheit von Haut und Haaren, ja – sogar der psychischen Verfassung.

Schilddrüse – nur eine Frage der Größe?

Die Schilddrüse hat in etwa die Form eines Schmetterlings und ist auch ungefähr so groß. Verglichen mit dem erwachsenen Körper ist sie mit einem Gewicht von 20 bis 30 Gramm tatsächlich winzig. Sie sitzt in Höhe des Kehlkopfs rechts und links der Luftröhre und verfügt über kleine Bläschen, Follikel genannt. In diesen Follikeln speichern sich normalerweise Hormone, die bei Bedarf schnell ans Blut abgegeben werden können. Ein sehr interessanter Fakt ist, dass der Hormonbedarf für etwa 2 Monate in diesen kleinen Bläschen gespeichert wird. Außerdem gibt es noch den Schilddrüsen-Stimulator, die Hirnanhangdrüse, dort, wo das Dritte Auge sitzt, und auch die Nebenschilddrüsen, die wiederum so klein wie ein Weizenkorn sind. Was aber, wenn dieses Mini-Organ nicht optimal arbeiten kann?

Hashi-was?

Hashimoto Thyreoiditis (HT) führt letztlich zu einer chronischen Unterfunktion der Schilddrüse, die durch eine ebenfalls chronische, aber auto-immune Reaktion des Körpers in Form einer Entzündung ausgelöst wird. Das Schilddrüsengewebe, in dem die Hormone gespeichert werden, wird dabei zerstört. Da das (meist) sehr langsam geschieht, bleibt es oft sehr lange unbemerkt. Genau das kann fatale Folgen haben und ist außerdem ein bisher nicht umkehrbarer Prozess.

Bei mir selbst wurde HT erkannt, weil ein findiger Assistenzarzt meine Blutwerte richtig interpretierte: Der TSH aus der Hirnanhangdrüse war sehr hoch, während die Hormonwerte recht niedrig waren. Für eine chronische Krankheit fühlte ich mich mit damals 27 Jahren viel zu jung. In Foren rund um diese Erkrankung konnte ich jedoch lesen, wie viele Menschen – hauptsächlich Frauen – irrsinnige Schwierigkeiten mit der richtigen medikamentösen Einstellung hatten. Irgendwie ist das auch verständlich, wenn wir zugrunde legen, dass Hormone im Mikrogrammbereich künstlich aufgenommen werden und eine mehrwöchige Halbwertzeit haben. Zudem Symptome auf so vielen Ebenen des körperlichen und psychischen Wohlbefindens ausbilden, dass eine exakte Zuordnung zur Schilddrüse nahezu unmöglich ist.

Folgen einer Schilddrüsenfehlfunktion

Männer wie Frauen leiden vor allem darunter, dass HT lange Zeit unerkannt bleibt und sich dadurch ein Mangel auf vielen Ebenen im Körper entwickelt, was zu enormem Stress für das System führt. Frauen sind allerdings deutlich häufiger betroffen. Übergewicht, Haarausfall, Depressionen, Hautprobleme, Blutdruckschwankungen, Müdigkeit, ungewollte Kinderlosigkeit – das alles können Folgen davon sein. Leider werden die Symptome zu selten einer Schilddrüsen-Fehlfunktion zugeordnet und so befindet sich der Körper irgendwann in einer echten Notlage.

Ich habe so viele Frauen gehört, die sich laut ihrer HausärztInnen „mal ein bisschen mehr bewegen“, „nicht so empfindlich sein“ oder „mal weniger nachdenken“ sollten. Ich habe mit Familien gesprochen, die jahrelang wegen unerfüllten Kinderwunschs falsch behandelt wurden, ich hatte Klientinnen, denen Depressionen und Angststörungen das Leben zur Hölle machten. In diesen Fällen wäre eine gute hormonelle Einstellung gefragt gewesen. Zudem begünstigt HT offensichtlich andere (Autoimmun-) Erkrankungen wie Diabetes, Zöliakie, Vitiligo oder Fibromyalgie, auch werden bei HT-PatientInnen überdurchschnittlich oft Nährstoffmängel festgestellt.

 

Woher kommt Hashimoto Thyreoiditis?

Es scheint bis heute nicht greifbar, wie genau HT entsteht – es ist eben kein gebrochenes Bein. Häufig fällt Betroffenen im Rückblick auf, dass es einen auslösenden Moment gab wie etwa eine Schwangerschaft, der Beginn der Wechseljahre, eine emotionale Krise oder ähnliches. Hormonell betrachtet spielen ganz offenbar die Einnahme bzw. das Absetzen der Pille eine große Rolle, es scheint auch einen Zusammenhang mit Steroiden zu geben, was nicht verwunderlich anmutet.

Ebenso gibt es autoimmune Erkrankungen familiär gehäuft. Auch dieser Zusammenhang kann medizinisch bis heute nicht ausreichend erklärt bzw. bewiesen werden. Zuviel Jod (beispielsweise in allen jodierten Fertigprodukten) führt bei vielen Betroffenen dazu, die Erkrankung zumindest zu verschlechtern. Die chronische Entzündung kann bei vielen PatientInnen abgemildert werden, wenn sie mit der Schilddrüsenhormon-Ersatztherapie beginnen, jedoch ist auch das keiner benennbaren Regel unterworfen. Manche leiden weiterhin unter den Schüben, die eine Entzündung mit sich bringt. Dabei rutschen sie zeitweilig in eine Überfunktion, die durch das abgebaute Gewebe der Schilddrüse begünstigt wird. Wer mit der Diagnose Hashimoto Thyreoiditis lebt, passt in keine Schublade.

Mein eigener Weg – Leben mit Hashimoto Thyreoiditis

Nach einer Phase, in der ich niedergeschlagen und sehr verunsichert war, las ich mir (fast) alles an, was es zur Schilddrüse zu wissen gibt. Ich hatte außerdem zum Glück einen sehr guten Arzt, der mich darin unterstützte, meinen Körper wahrzunehmen und nicht ausschließlich auf die schulmedizinisch anerkannten Blutwerte zu achten. So richteten wir die Medikation darauf aus, dass ich mich energetisch ausgeglichen und fit fühlte. Ich spürte viel mehr in meinen Körper hinein, ich nahm seine Signale anders wahr, ich richtete meinen Fokus stärker auf Gewohnheiten, die mir gut taten. Ich versuchte zu verstehen, was mein Körper mir sagen wollte und was genau ich brauchte, um im Gleichgewicht zu sein. Das betraf medizinische Fragen genauso wie meine emotionale Versorgung.

Ich bin in den letzten 17 Jahren seit meiner Diagnose Marathon gelaufen und habe einen Ironman absolviert, ich habe zwei mehrwöchige Reisen durch Asien gemacht, ich bin Mutter von zwei sehr aktiven Jungs, ich fahre leidenschaftlich Rennrad, ich bin selbständig, ich plane eine aktive und fröhliche Zukunft – und das alles ohne regulär funktionsfähige Schilddrüse.

Schwanger mit Hashimoto Thyreoiditis

In beiden Schwangerschaften achtete ich sehr auf meine Versorgung mit Nährstoffen, vor allem Vitamin D und B sowie den Eisenspeicher ließ ich regelmäßig überprüfen. Die freien Schilddrüsenhormone (fT3 sowie fT4) bestimmte mein Hausarzt in engen Abständen, die Dosis an L-Thyroxin musste in meinem Fall erhöht und später wieder abgesenkt werden. In jedem Fall ist es empfehlenswert, eine gynäkologische Betreuung zu wählen, die das Thema kennt und bereit ist, individuelle Befindlichkeiten in die Betrachtung einzubeziehen und dem Wohlbefinden von Mutter und Kind Priorität einräumt.

Nach den Entbindungen wurden beide Kinder dahingehend untersucht, ob sie die Erkrankung vererbt bekommen hatten, doch in beiden Fällen blieb dieser Test negativ. Es ist dennoch recht naheliegend, dass die Kinder zumindest vorbelastet sind. Dies zu wissen, erleichtert eine umfassende Betrachtung, da bestimmte Symptome dann eher richtig eingeschätzt oder zumindest in einen Zusammenhang gebracht werden könnten.

Leben mit synthetischen Hormonen

Von HT betroffen zu sein, bedeutet in den allermeisten Fällen, nach dem Stand der heutigen Medizin, ein Leben lang auf eine externe Hormongabe angewiesen zu sein. Nach einer Einstellungsphase, die je nach Dauer der unerkannten Phase der Fehlfunktion bis zu 18 Monate dauern kann, sollten die Hormone zumindest einmal jährlich bestimmt werden. Es ist wichtig, die Hormone täglich regelmäßig zu nehmen.

Vielleicht genauso wichtig erscheint es mir auch, auf die psychische Gesundheit zu achten und sich regelmäßige Zeiten der Erholung zuzugestehen. Obwohl das grundsätzlich gelten sollte und für viele Erkrankungen gilt, hat eine ausgewogene Lebensführung besonders bei Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto Thyreoiditis einen starken Einfluss auf das Wohlbefinden und den Verlauf der Erkrankung.

Wir dürfen dankbar sein, dass es Erleichterung gibt, und in unserer eigenen Verantwortung alles dafür tun, das Leben mit dieser Einschränkung positiv zu gestalten.